Die
heutige Sucht nach Analysen aller Art resultiert aus der
Annahme, eine Analyse sei ein „präzises Unter-die-Lupe-nehmen“.
Und wer das glaubt, der glaubt dann auch, „je mehr
Analysen, desto besser“, desto genauer die Kenntnislage,
desto sicherer die Planung und der Erfolg. Jedoch: Leider
falsch.
Im Jahr
1619 erfand der so genannte „erste kritische Denker
der Neuzeit”, René Descartes, den „Zweifel
aus Prinzip” und gleichzeitig die theoretische Analytik:
Auf der philosophischen Suche nach einem Beweis dafür,
dass er existiert, begann Descartes systematisch an allem
zu zweifeln - bis er am Ende folgerte: „Ich denke,
also bin ich” (siehe auch: >>
Zeitreise).
Descartes
ist dafür verantwortlich, dass heute nichts mehr „einfach
so” geglaubt wird, ohne „stichhaltige Nachweise
und Beweise” zu haben: Der „Zweifel aus Prinzip”,
mittlerweile perfektioniert durch Studien, Statistiken,
Gutachten, Prüf-, Test-, Qualitäts- und Gütesiegel
aller Art. Nicht zuletzt auch, wenn Menschen von Selbstzweifeln
geplagt sind (Depression).
Und
Descartes ist also auch für das gedankliche Zerlegen
einer Problematik („bis ins kleinste Detail”)
verantwortlich. Denn genau das ist Analytik. Und genau deshalb
ist Analytik völlig falsch und irreführend...
Domino-Effekt:
Gedanklicher Super-GAU.
Wenn
es um Planung und Erfolg geht (um Planungen und Erfolge
aller Art), dann wird das Ganze für gewöhnlich
als Weg („Erfolgsweg”) von einem „Ist”
zu einem „Soll” (Ziel) betrachtet. Schon alleine
bereits diese Vorstellung ist verheerend und führt
unausweichlich in Folge-Probleme ohne Ende:
Mit
dieser Vorstellung im Kopf nämlich beginnt man den
imaginären Weg zu zerlegen à la Descartes und
landet so bei den beliebten einzelnen „Schritten”
und „Stufen” und „Bausteinen”, die
vermeintlich zum Ziel führen.
Und weil es so schön ist, beginnt man auch gleich am
Anfang damit, indem man erst einmal die „Ist”-Situation
analysiert (also: zerlegt), möglichst „bis ins
kleinste Detail”, „je präziser desto besser”
- glaubt man.
Der
grobe Denkfehler, der sich zur Normalität entwickelt
hat, besteht darin, dass Analytik als „genaues Unter-die-Lupe-nehmen”
fehlverstanden und das gedankliche Zerlegen als die Methode
betrachtet wird, mit der das eben nun einmal stattfindet
(falls man überhaupt darüber nachdenkt).
„Schon
die Analyse eines Ist-Zustandes ist falsch,
weil sie nur eine Wahrscheinlichkeit repräsentiert“
Prof. Bart Kosko, Erfinder der Fuzzy-Logik
Der
Knackpunkt ist: Bei jeder Analyse gehen einem zwangsläufig
sämtliche Zusammenhänge durch die Lappen! Schließlich
sind Zusammenhänge und Verbindungen (das „größere
Ganze”) das genaue Gegenteil eines Zerlegens („bis
ins kleinste Detail”). Mit anderen Worten...
Je präziser
man analysiert, je perfekter die Analysen, desto blinder
wird man für (entscheidende) Zusammenhänge. So
sagt der Analytiker: „Man kann nicht Äpfel mit
Birnen vergleichen”, während derjenige, der Verbindungen
erkennen kann, sagt: „Natürlich kann man das.
Beides ist Obst”.
Und
nicht nur Zusammenhänge werden durch Analytik übersehen,
sondern auch so genannte „Emergenzen”: Wirkungen,
die ausschließlich nur in einer Verbindung existieren.
So, wie etwa beim Zucker, der aus Sauerstoff, Kohlenstoff
und Wasserstoff besteht. Doch keiner dieser Bestandteile
schmeckt nach Zucker! Durch ein Zerlegen löst sich
damit auch der typische Zuckergeschmack in Luft auf und
ist bei einer Analyse nicht erkennbar.
Und
noch ein weiteres Folgeproblem der Analytik: Der heutige
Glaubenssatz „Je mehr Informationen desto besser”,
weil desto präziser die Analysen und desto genauer
die Kenntnislage. Jedoch auch das: komplett falsch!
Der
Physik-Nobelpreisträger Werner Heisenberg entwickelte
die nach ihm benannte „Heisenberg'sche Unschärferelation”,
u.a. mit der Erkenntnis, dass mehr Information eben nicht
mehr Klarheit schafft - sondern im genauen Gegenteil: mehr
Unklarheit.
Mit
dieser Erkenntnis erscheint auch die heutige Datensammlungswut
von Konzernen („Datenkraken”) wie auch des Staates
(„Big Brother”) in einem etwas anderen Licht:
dem gewaltigen Eindruck der enormen Möglichkeiten des
Computers (also: der Datenverarbeitung) völlig erlegen
und ergeben.
„Ganz
normal”: Leben in einer zerlegten Welt.
Wenn
wir nun also wissen, dass das Vorgehen per Analytik grundsätzlich(!)
falsch ist, dass dabei entscheidende Einflüsse komplett
übersehen werden, und das Ganze - „zugunsten”
einer scheinbaren Klarheit - noch weitere prekäre Folge-Probleme
produziert...
...dann
erklärt u.a. das auch die Unmenge der enormen heutigen
Probleme, angesichts dessen, dass a) heute kaum noch eine
Entscheidung getroffen wird, ohne sich nicht vorher mit
„präzisen Analysen und Studien” alle Art
vermeintlich „abgesichert” zu haben...
....und wir b) längst in einer komplett „zerlegten
Welt” leben, die wir so auch noch für völlig
normal halten; vor allem weil die meisten von uns es gar
nicht anders kennen und auch nicht mehr anders vorstellen
können.
Das
beginnt nicht erst bei der „ganz normalen” Lebensgestaltung
nach der so genannten „8-8-8-Regelung” ( 8 Stunden
arbeiten, 8 Stunden Freizeit und 8 Stunden Schlaf), ein
Leben zwischen „Arbeitszeit” und „Freizeit”,
was in dieser Normalität kaum jemand ernsthaft hinterfragt,
und führt sich fort über „Kindheit - Schulzeit
- Arbeitsleben und Pension”.
Dazu kommen hierarchische Strukturen aller Art, vom Manager
bis zum Praktikanten, weiter über das Expertentum in
dem jeder Fachmann seinen Fachbereich für den wichtigsten
hält, über die Medizin, wo der Patient von einem
Facharzt zum nächsten geschickt wird, bis zur Bürokratie
mit ihren (Nicht-)Zuständigkeiten und der Politik mit
ihren Ressorts, sogar das Gehirn hat man übersichtlich
in Areale eingetelt: alles fein säuberlich zerlegt.
„Die
wichtigste Aufgabe heute besteht vielleicht
darin, in der neuen Weise denken zu lernen“
Gregory Bateson
Wenn
heute - zurecht - immer öfter ein Umdenken gefordert
wird, dann gehört das unweigerlich mit dazu: Wir müssen
lernen, uns vom analytischen Denken zu lösen und müssen
- im Gegenteil - lernen, Verbindungen und Zusammenhänge
(das „größere Ganze”) zu erkennen.
Also: Synthesen zu bilden statt zu analysieren.
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