Wir
leben in einer Zeit, in der das Repertoire echter Argumente
so ziemlich erschöpft ist. In der üblichen Denk-
und Vorgehensweise ist man jedoch gezwungen, das eigene
Angebot dennoch irgendwie als „das Bessere“
darzustellen. Zur Not mit brachialer Wortgewalt.
Die
heute noch immer „ganz normale“ Denk- und Vorgehensweise
eines René Descartes, anno 1619, ist auf Grund ihrer
enormen Normalität auch das Fundament sämtlicher
üblicher Techniken und Methoden, der Strategie und
des Marketing. Zwangsläufig herrscht deshalb (u.v.a.)
auch das Ausschlussverfahren nach dem „Entweder-Oder“.
So gilt
es zum Beispiel, eine bestimmte Position(-ierung) einzunehmen,
die gegenüber denen der Konkurrenz idealerweise überlegen
sein soll. Ein Mittel dazu: Der Verweis auf die eigenen
Stärken gegenüber den Schwächen anderer.
Und das geschieht meist mit Worten, die „möglichst
überzeugend wirken“ müssen.
Weil
das jedoch üblicherweise alle glauben und denken und
auf diese Weise vorgehen, hat das zu einer nervtötenden
Gleichartigkeit der gegenseitigen Übertrumpfung geführt.
Unschuldige Kunden werden von wortgewaltigen Argumentations-Tsunamis
überrollt.
Verbales
Gemetzel, Gesäusel und Geschwurbel
Auch
die Anwendung psychischer Gewalt ist hierzulande strafbar.
Davon ausgenommen ist jedoch die Wortgewalt bei diversen
Versuchen, Menschen für sich und seine Sache zu gewinnen.
Ganz gleich, ob Berater ihre Konzepte Unternehmen anbieten,
oder Unternehmen ihre Produkte an Konsumenten verkaufen
wollen.
Letzteres
erfolgt da noch vergleichsweise harmlos in Form von „Aprilfrische“,
„Aktiv-Kapseln“, „Oxy-Action“ oder
auch zum Vermeiden von „Farbhelmen“ im Haupthaar.
Je weniger greifbar allerdings ein Angebot ist, desto mehr
scheinen sich Anbieter gezwungen zu fühlen, auf jede
verfügbare Pauke zu hauen, die sich aus dem Sprachschatz
herausholen lässt.
Diese
Form von psychischer Gewaltausübung beginnt bei beliebten
Phrasen, die dermaßen wirkungslos sind, dass sie im
Höchstfall als Satzbestandteile wahrgenommen werden
– mehr aber auch nicht. Darunter fallen etwa „zielorientierte“
oder auch „lösungsorientierte“ oder auch
„erfolgsorientierte“ Konzepte, die auf Grund
ihrer Null-Aussage in jeder x-beliebigen Beraterbroschüre
auffindbar sind.
Nicht
anders, wenn zu lesen ist, es gehe um „erfolgskritische
Faktoren“, für die „Durchsetzung der unternehmerischen
Ziele“, indem die „notwendigen internen Prozesse
optimiert“ werden, um „Orientierung in Zeiten
des permanenten Wandels“ zu ermöglichen. Denn
nur so lassen sich „mit klarem Kurs die Herausforderungen
der Zukunft gestalten, um die strategischen Weichen im relevanten
Umfeld auf Erfolg zu stellen“.
Fünf Euro Belohnung für den, der erraten kann,
welches Angebot hier eigentlich verkauft werden soll(?).
Ein
Gesäusel, das außer einem wohligen Klang rein
gar nichts enthält, das gelesen und gleich wieder vergessen
wird. Es gibt jedoch noch schlimmeres Geschwurbel. Nämlich
wenn die „heterogene Angebotsstruktur in der Implementierungsphase
einen wechselseitigen Abgleich des Commitments“ erfordert,
der „im Bottom-up-Verfahren just-in-time gemanagt“
werden muss. Ein verbales Gemetzel, das in der Regel glücklicherweise
keinen intellektuellen Schaden beim Leser bzw. Hörer
anrichtet, weil er längst umgeblättert hat bzw.
sich gedanklich im Südseeurlaub befindet.
Wortgewalt
als Demonstration vermeintlicher Überlegenheit
Dagegen
ist der generelle Schaden deutlich größer: In
unserem „Bildungs- und Wissenzeitalter” nämlich
glaubt die Masse der informationskonsumierenden Menschen
irgendwann, dass man sich offenbar wohl genau so ausdrücken
muss, um als gebildet zu gelten und/oder Wirkung zu erreichen.
Im speziellen
Einzelfall fühlt sich der Adressat solcher Verbalexzesse
nicht selten eingeschüchtert. Angesichts der geballten
Berater-Kompetenz, die ihm gegenüber sitzt, vermeidet
er es, detaillierter nachzufragen, um nicht als völlig
ahnungslos dazustehen. Und exact so ist das auch gedacht.
Noch nicht einmal unbedingt mit dieser Absicht. Die eigentliche
Absicht ist in aller Regel eher, mittels Worten eine Form
von Macht und intellektueller Überlegenheit darzustellen.
Also: sie wenigstens… darzustellen.
Das
gleiche gilt für die Wortgewalt, die von Behörden
angewendet wird: das so genannte „Behördendeutsch”,
das zuweilen kaum ein Mensch versteht und durchaus auch
genau so beabsichtigt ist. Auch wenn es an dieser Stelle
um Werbung und Verkauf geht, kann dieser Nebenverweis hilfreich
sein, um zu erkennen, dass Wortgewalt mitunter als Mittel
der Machtausübung eingesetzt wird: sowohl der Begriff
„Gewalt” wie auch das Ver-walten haben einen
gemeinsamen Wortstamm, nämlich das Walten, das „Über-Menschen-verfügen-können”.
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