Schon
lange nicht mehr die Ausnahme, sondern zur fragwürdigen
Regel geworden ist die Umkehr der Zielpeilung. Heimlich,
still und leise hat sich die einstige Konzentration vom
Produkt- und Leistungsangebot verlagert auf die Psyche der
Menschen. Statt dem Angebot wird heute vornehmlich der Kunde
bearbeitet.
Für
die Mehrheit der Außendienstler und Verkäufer
kommt es nur in Ausnahmefällen in Frage, für viele
nur als letzter Ausweg, manch einer hält es für
die einzige effiziente Methode, in Marketing und Werbung
dagegen ist es inzwischen Gang und Gäbe.
Die Rede
ist von psychologischen Tricks aller Art, mit denen auf
die menschlichen Schwächen abgezielt wird. Das „clevere“
Ausnutzen psychischer, intellektueller und/oder informationeller
Defizite von Menschen. Die Methode der so genannten „malignen
Emotion“.
Was als „Service“ und Kundenorientierung deklariert
wird unter dem Motto „Bei uns steht der Mensch im
Mittelpunkt“, verhält sich in aller Regel etwas
anders: Der Mensch wird in den Mittelpunkt gestellt, damit
er dort als leichter zu treffende Zielscheibe fungieren
kann.
Kundenorientierung
als neue Zielpeilung
Man darf
nicht vergessen: Das Grundprinzip des Marketing ist das
„Zielen+Treffen“. Und seit dem das Marketing
auch in Werbung und Verkauf die Regie übernommen hat,
ist genau das eben auch in Werbung und Verkauf zum Grundprinzip
geworden. Heimlich, still und leise, seit dem ab den 1970er
Jahren die Psychologie ins Marketing geholt wurde, geht
es kaum noch um das eigentliche Angebot, sondern darum,
„in die Köpfe der Menschen zu gelangen“.
Und dieser Zweck heiligt sämtliche fragwürdigen
Mittel.
Das „Problem“
ist die herrschende Marktsättigung: Alles, was der
Mensch so braucht, gibt es -zigfach in etlichen Variationen
zu kaufen, in der Regel immer irgendwo auch „noch
billiger“, und im Grunde ohne nennenswerte Qualitätsunterschiede,
sogar „Made in Taiwan“.
Zudem
lassen sich etliche Produkte und Leistungen schlicht und
einfach nicht oder nicht mehr verbessern; und wenn, dann
„rechnet es sich nicht“ mit irgendetwas.
Kurz gesagt: Wenn sich die Angebote bis zur Gleichartigkeit
ähneln und es kaum noch wesentliche, geschweige denn
offensichtliche Unterschiede gibt, dann muss man eben anders
vorgehen. Statt jedoch an der fragwürdigen Denkweise
des „Zielen+Treffen“ etwas zu ändern, wollte
man lediglich an der Methodik herumbasteln.
So kam
man in den 1970ern auf die Idee, die heute den Dreh- und
Angelpunkt von Marketing-Kommunikation, Werbung und Verkauf
darstellt: die Umkehrung der Zielpeilung vom eigentlichen
Angebot auf die Psyche des Kunden.
Eben: Die Methode der „malignen Emotion“, das
Ausnutzen menschlicher Defizite aller Art, in Form von „Emotionalisierung“,
„Viral“- und „Guerilla“-Marketing,
und etlichen anderen Versuchen, gut getarnt als „Service“
und Kundenorientierung.
Das Ganze wurde mittlerweile mehrfach neu gerechtfertigt
mit der zunehmenden „Individualisierung“, mit
der herrschenden „Reiz- und Informationsüberflutung“
durch die Neuen Medien, mit dem „Zeitalter des Chaos
und des sprunghaftes Wandels“ („Change“),
u.v.a.
Moral?
Ethik? Fairness? Unbrauchbar!
Ein in
beträchtlichem Maße unanständiges Vorgehen.
Wobei mindestens ebenso bedauerlich ist, dass diese Unanständigkeit
den Marketing-Experten und -Beratern zum Großteil
in keiner Weise bewusst ist, weil sie nur das „Zielen+Treffen“
vor Augen haben.
Apropos
„unanständig“: Das klingt der Masse der
Menschen (keineswegs nur der Experten) doch irgendwie etwas
unpassend, wenn es „um’s Geschäft“,
um unternehmerischen Erfolg, um „die Wirtschaft“
geht.
Und das ist ironischerweise sogar berechtigt. Denn das Marketing
ist ein Teil der Betriebswirtschaftslehre und damit wiederum
ein Teil der Wirtschaftstheorie, die heute noch immer auf
einem Fundament des 17. Jahrhunderts steht.
Eine Theorie, in der geschrieben steht und eben heute noch
immer als Grundsatz gilt, dass sämtliche „nur
subjektiven“ Eindrücke darin nichts zu suchen
haben. Moral, Anstand, Fairness, etc inklusive.
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