Wer
lässt sich schon gern „eines Besseren belehren“?
Eben. In Werbung und Verkauf (auch in Talkshows und Verhandlungen
aller Art) jedoch geht man ziemlich naiv vom Gegenteil aus
– man müsse nur lediglich die besseren und noch
bessere Argumente auf seiner Seite haben. Welche auch immer.
Es ist
noch immer „ganz normal“ und die Regel, dass
Argumente verwendet werden, um irgendetwas Bestimmtes zu
erreichen. Zum Beispiel, um etwas zu verkaufen, um eine
Gehaltserhöhung zu bekommen oder um die Ehefrau irgendwie
dazu zu bewegen, mit ins Fußballstadion zu kommen.
Also: Argumente als Mittel zum Zweck.
Das
Dumme an der Sache ist: zu jedem Argument gibt es auch ein
passendes Gegen-Argument. Nur eine Frage der Zeit und der
geistigen Flexibilität eines Menschen, wann er es vorbringt.
Manchmal sofort, manchmal später. Manchmal auch gar
nicht, wenn die Ablehnung durch einfaches Abwinken erfolgt.
Überzeugungsarbeit
als Problem-Produktion
Das
eigentliche Kernproblem: Durch die Vorgehensweise per Argumentation
stolpert man zwangsläufig in das „50-Prozent-Denken”
des „Entweder-Oder” eines René Descartes,
anno 1619: Entweder man kann einem Argument zustimmen –
oder eben nicht. Jedwedes Argument spaltet somit in ein
„Dafür“ oder „Dagegen“. Eine
völlig freiwillige Selbstbeschränkung, indem Menschen
dadurch absichtlich ausgegrenzt werden und man sich auf
die beschränkt, die der eigenen Argumentation folgen
können und wollen.
Eine
freiwillige Selbstbeschränkung, die sogar vollabsichtlich-uneinsichtig
in jeder Verkaufsmethode angewendet wird, wie auch im Marketing
generell durch die angeblich enorm wichtige „Positionierung“.
Der Punkt ist: Wer argumentativ vorgeht, nimmt dadurch zwangsläufig
auch eine bestimmte Position ein. Also: Einen Stand(-)Punkt,
auf dem natürlich nicht jeder steht und den nicht jeder
teilt.
Genau auf diese Weise produziert man sich höchstpersönlich
selbst, was man daraufhin(!) als „Zielgruppe“
bezeichnet, die sich irgendwo „im Markt“ versteckt
halten würde und auf die man deshalb präzise „zielen“
müsse, um sie zu „treffen“.
Das
ist… ziemlich paradox. Im Klartext: So etwas wie „Zielgruppen”
existiert nicht! Sondern sie entstehen erst durch die eigene
Denk- und Vorgehensweise der Argumentation und des Marketing:
Man schafft sich seine „Zielgruppe“ und sämtliche
damit verbundenen Folge(!)-Probleme in sehr aufwändiger
Eigenarbeit selbst, und sucht nach Lösungen für
Probleme, die man sich selbst creiert hat.
Denkweise
des 17. Jahrhunderts:
Ein Marathon im Hamsterrad
Wie
bestens bekannt und (jedenfalls: eigentlich) jeder aus eigener
Erfahrung weiß, provoziert Argumentation immer potenziell
Widerstand. Nämlich durch die zwangsläufige Spaltung
des „Entweder-Oder“, in „Dafür“
oder „Dagegen“, „Ja“ oder „Nein“.
Ein selbstgeschaffenes Problem, das man durch exact dieselbe
Denk- und Vorgehensweise zu lösen versucht, indem man
noch zusätzliche Argumente verwendet: Gütesiegel
aller Art, Rabatte, 24-Stunden-Services, etc, etc, etc.
Alles
nach dem Motto: „Je mehr gute Argumente desto besser“.
Und weil das natürlich alle glauben, denken und praktizieren,
stolpert man gleich ins das nächste Folgeproblem: der
Vergleichbarkeit und Gleichartigkeit entkommen zu müssen,
um im Vergleich als besser, etwas Besonderes oder gar als
„das einzige Wahre“ dazustehen. Ein Marathon
im Hamsterrad, resultierend aus einer völlig paradoxen
grundsätzlichen Denk- und Vorgehensweise. Womit dieser
Marathon noch nicht einmal annähernd vollständig
beschrieben ist. Denn:
Als
eines der enormen Folgeprobleme entsteht daraus zudem auch
noch der heute „ganz normale“ und „zwingend
notwendige“ Informationsbeschaffungs- und Analyse-Aufwand,
um auf die Spur der „richtigen“ und „besseren“
Argumente zu kommen und „noch gezielter treffen“
zu können. In diesem ganzen Tohuwabohu des üblichen
Vorgehens geht das eigentliche Kernproblem völlig unter:
Die noch immer herrschende mittelalterliche Denkweise eines
René Descartes, anno 1619. |