Überall
wo es darum geht, Menschen für sich und seine Sache
zu gewinnen, hat sich eine ganz besondere Unsitte etabliert:
Die penetrant penetrierten Versuche, die Zielperson(en)
wie einen Hund zu dressieren und auf Kommando parieren zu
lassen: „Sitz“, „Platz“ und „Greifen
Sie zu!“. Pawlow lässt grüßen.
Anno
1905 führte der russische Physiologe Iwan P. Pawlow
ein Experiment durch, das nicht nur zur Berühmtheit
gelangte, sondern sich als Mythos hartnäckig in der
(nicht nur: werblichen) Kommunikation festgesetzt hat. Recht
bekannt als der „Pawlow’sche Hund“. Bei
seinen Experimenten mit Hunden fiel Pawlow auf, dass die
Tiere immer Speichelfluss bekamen, wenn er ihnen Futter
zeigte. Er kam dabei auf eine Idee und testete sie an einem
der Hunde:
Vor
jeder Fütterung dieses Hundes läutete Pawlow eine
Glocke. Und genau wie Pawlow vermutete, reagierte der Hund
irgendwann bereits auf das Glockenläuten mit Speichelfluss,
auch wenn er dann gar kein Futter zu sehen bekam.
Der Rückschluss daraus: Mittels der (nach Pawlow) so
genannten „klassischen Konditionierung“ lässt
sich durch einen ganz bestimmten Reiz eine ganz bestimmte
Reaktion bewirken. Einzige Voraussetzung dafür ist
eben die Konditionierung, also: das Einüben und Eintrichtern
durch permanente Wiederholung.
Werbung
à la Pawlow:
Grandiose Geldverschwendung
Dieser
Rückschluss aus Pawlows Experiment ist der Grund, warum
heute Werbebotschaften und -slogans reihenweise, permanent
und überall auf die Menschheit abgefeuert werden: Der
Glaube, je öfter man den Leuten den immergleichen Spruch
in die Ohren und auf die Augen drückt, desto schneller
und einprägsamer wird „die Botschaft gelernt“
(Werbejargon).
In einer erstaunlichen Uneinsichtigkeit wird dieses „Reiz->Reaktions“-Schema
nach Pawlow heute auf alles mögliche und in sämtlichen
Variationen angewendet, wo man geht und steht und sitzt.
Eine
davon ist die seltsame „AIDA”-Regel (Attention,
Interest, Desire, Action / Aufmerksamkeit, Interesse, Wunsch,
Kauf), die seit 1896(!) noch heute in der Werbung in absoluter
Üblichkeit angewendet wird.
Als „auslösende Reize“ sollen Sprüche
dienen wie „Rufen Sie an!“, „Greifen Sie
zu!“ oder „Bestellen Sie jetzt!“, immer
schön mit einem Ausrufezeichen versehen, um dem noch
ein bisschen Nachdruck zu verleihen, gern dazu noch fettgedruckt,
unterstrichen und in knallrot;
oder „noch besser“: alles
das zusammen!.
So ziemlich
gar nichts ist vor Pawlow heute noch sicher. Das führt
dann so weit, dass ein „Wir sind für Sie da!“
nach kurzem Überdenken noch mit einem Wort ergänzt
wird, bis es dann heißt: „Wir sind gerne für
Sie da!“ und man doch allen Ernstes glaubt, das Wort
„gerne” würde den Satz noch effektiver
machen.
Der
Glaube an diesen Unfug ist derart ausgeprägt, dass
inzwischen jeder Selbstständige, der einen Werbebrief
oder eine Anzeige in Eigenarbeit formuliert, auf solche
Phrasen zurückgreift: „Wenn das überall
so gemacht wird, dann muss man Werbung wohl schließlich
genau so machen“.
Und der Glaube an diesen Unfug ist derart ausgeprägt,
dass es noch nicht einmal den Hauch einer Skepsis auslöst,
wenn die Erfolgsquote von Werbebriefen dieser „ganz
normalen“ Machart bekannterweise bei gerade einmal
3% bis 5% liegt.
Was übrigens heißt: zu satten 95% bis 97% handelt
es sich dabei um eine grandiose Geldverschwendung. Was die
Frage provoziert, warum man sich den Aufwand nicht spart
und sein Geld nicht gleich ins Casino trägt. Die Erfolgschancen
liegen dort womöglich höher.
Aus
dem Labor-Käfig unter die Menschheit gebracht
Der
Punkt ist: Dieses „Reiz->Reaktions“-Schema
à la Pawlow ist deshalb so beliebt und klingt (nur)
deshalb so enorm plausibel, weil es dem noch immer herrschenden
Fehldenken nach dem „Ursache->Wirkung“-Prinzip
und dem „Wenn->Dann“ wunderbar entspricht:
„Wenn wir A sagen, dann reagiert der Kunde mit B“.
Jedoch:
Die eklatante Misserfolgsquote von bis zu 97% liegt eben
genau darin begründet, und nicht etwa in der heutigen
„Reiz- und Informationsflut“, die dafür
als Ausrede herhalten muss.
„Der Kunde“ ist eben kein Hund. Und erst recht
keiner, der sich in einem Labor-Käfig befindet. „Der
Kunde“ kauft deshalb genauso wenig auf Kommando, wie
der, der solche Kommandos geben will.
|