Das
Grundprinzip des Marketing ist das „Zielen+Treffen“.
Deshalb dreht sich darin alles grundsätzlich darum,
dieses „Zielen“ zu optimieren, um „besser
zu treffen”. Einer dieser endlosen Versuche besteht
nun darin, die zurzeit im Trend liegende Gehirnforschung
zu nutzen: Das „Neuro-Marketing“.
Was
vor ein paar Jahrzehnten noch die Psychologie war, ist heute
die Neuro- und Gehirnforschung: Die Aussicht, mehr Einblick
in das Denken und Verhalten von Menschen zu gewinnen, und
eben dadurch nicht zuletzt auch mehr verkaufen zu können.
Neben allen Problemen, die die steinalte Wirtschaftstheorie
des 17. Jahrhunderts mitsamt des Vorgehens per Strategie
für das Unternehmertum mit sich bringt, ist mittlerweile
„der Kunde“ eines davon.
Ging
es früher im Marketing noch darum, die enorme Nachfrage
überhaupt irgendwie bewältigen zu können,
ist die Lage heute vielmehr umgekehrt: Es geht inzwischen
darum, wie man für sein Angebot überhaupt noch
Interesse wecken, Kunden gewinnen und dauerhaft an sich
binden kann.
Genauso
interessant wie merkwürdig und fragwürdig ist,
wie man im Unternehmertum und auch im Marketing darauf reagiert
hat: Statt an der Relevanz (also: nicht nur am Nutzen) des
Angebotes zu arbeiten, hat man sich mit voller Wucht auf
den Kunden gestürzt, auf seine (vor allem: psychischen)
Schwächen und seine angeblichen Bedürfnisse, auf
sein Denken, Verhalten und seine Lebensführung.
Die
Abhängigkeit vom Bedarf
und das Ausweichmanöver
Eines
der Kernprobleme des noch immer herrschenden Wirtschaftssystems
(und damit auch: von Unternehmen und ihren Erfolgen) besteht
in der scheinbaren Abhängigkeit vom herrschenden Bedarf.
In einer
Zeit, in der jedoch so ziemlich jeder Bedarf gleich mehrfach
vollauf und übermäßig befriedigt werden
kann, hat man mit dem allseits herrschenden Denk- und Wirtschaftssystem
natürlich ein großes Problem. Man meint deshalb,
einen Bedarf (welchen auch immer) künstlich erzeugen
zu müssen – indem man die Menschen irgendwie
dazu bringt, etwas zu kaufen, das sie nicht wirklich brauchen.
Beziehungsweise: Etwas zu kaufen, das sie schon besitzen,
indem man ihnen beibringt, dass „doppelt genäht
besser hält“. Weshalb ein Auto (Computer, Mobiltelefon,
Fernseher, etc.) gut ist, doch zwei oder drei davon aus
irgendwelchen Gründen viel besser sind.
Diese
Suche nach solchen „irgendwelchen Gründen“
bestimmt inzwischen das Marketing. Auf diese Weise nämlich
wurde der Bedarf kurzerhand und ziemlich trickig zu „Bedürfnissen“
erklärt. Mit diesem Trick haben Werbeagenturen und
Marketingberater den Unternehmen gleich wieder neue Konzepte
verkaufen können: Das Versprechen von mehr Verkauf,
Umsatz und Gewinn, indem man sich von der materiellen Bedarfsbefriedigung
verabschiedet und statt dessen psychologische Bedürfnisse
weckt.
Ein
enorm cleveres Ausweichmanöver, um auf dem liebgewonnenen
Irrweg bleiben zu können: Die so genannte Methode der
„malignen Emotion“, bei der es nur an- und vorgeblich
darum geht, „Kundenbedürfnisse zu erfüllen“,
jedoch tatsächlich nichts anderes ist, als die psychologischen
Schwächen der Menschen zum eigenen Vorteil auszunutzen.
„Neuro-Marketing“:
Alter Wein in neuen Flaschen
Das
zurzeit trendige „Neuro-Marketing“ ist eine
Mode-Erscheinung, die in diesen Bereich fällt: Angeblich
die lang ersehnte Antwort auf die Frage, was im Kopf des
Kunden vor sich geht, wie und warum er sich für oder
gegen ein Angebot entscheidet. Also alles das, was seit
fast 40 Jahren auch mit Hilfe der Psychologie im Marketing
ein Stochern im Nebel war.
Jedoch:
Bei diesem suggestiven Versprechen handelt es sich wieder
einmal um nichts weiter als „Marketing für’s
Marketing“. Der plumpe Versuch, mit den als „atemberaubend“
propagierten Erkenntnissen der Gehirnforschung das Marketing
als „hochmodern“ aufzupeppen.
Das ist das schillernd-glänzende Etikett auf den neuen
Flaschen, in denen sich bestenfalls noch alter Wein befindet,
vielmehr jedoch nur ziemlich heiße Luft.
Was nämlich – natürlich – verschwiegen
wird, ist (unter anderem), dass man sich nur lediglich solche
Erkenntnisse der Gehirnforschung herauspickt, die sich auf
irgendeine Weise für das Marketing nutzen lassen –
und selbst das nur, weil diese Erkenntnisse aus einem Zusammenhang
gerissen werden.
Denn
tatsächlich ist vielmehr das Gegenteil der Fall: So
ziemlich alles, was die Gehirnforschung an Erkenntnissen
liefert, offenbart das ganze herrschende Fehldenken. Und
zwar nicht nur das Fehldenken des Marketing, sondern der
gesamten Wirtschaftstheorie; und mehr noch: des „ganz
normalen“, mechanistischen Denksystems à la
René Descartes, anno 1619.
Die
Gehirnforschung ernstgenommen:
Das Ende des Marketing
Nur
beispielsweise: Was die Gehirnforschung tatsächlich
an Erkenntnissen liefert, offenbart (u.v.a.) das herrschende,
in aller Normalität praktizierte „Ursache->Wirkung“-Denken
als eklatant falsch. Und damit auch: Das (bei weitem nicht
nur) im Marketing angewandte „Wenn->Dann”
in Form des „Sender-> Empfänger“- und
des „Reiz-> Reaktions“-Schemas, sowie in
Form der ganz generellen Vorgehensweise „Wenn wir
A tun und B vermeiden, dann haben wir Erfolg“. Wie
gesagt: nur beispielsweise.
Schon
alleine diese eine Erkenntnis aus der Gehirnforschung macht
(eben: bei weitem nicht nur) das gesamte Marketing höchst
fragwürdig und wird deshalb natürlich auch im
Marketing verschwiegen. Selbst der Marketing-Professor an
der Universität Nürnberg, Hermann Diller gesteht
zu: „Diese Forschung ist so ungenau in ihren Erfassungsmethoden,
dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis verwendbare Ergebnisse
da sind - wenn das überhaupt kommt".
Jedoch:
Die Masse der Marketing-Experten und -Berater will das schlicht
und einfach nicht wissen und erkennt deshalb gar nicht erst,
welche umfassenden Konsequenzen die Erkenntnisse der Gehirnforschung
tatsächlich haben.
Man sieht eben auch im Marketing nur das, was man sehen
will. Oder wie Einstein sagte: „Die Theorie bestimmt,
was wir sehen”.
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