Ein
„Ziel im Visier“ zu haben, gilt als unabdingbare
Voraussetzung für jeden Erfolg – inklusive dem
militanten Denken, das bereits in der Formulierung steckt.
Dabei ist das allseits propagierte Trara um Zielsetzung
und Zielerreichung nicht selten genau das, was den wirklich
möglichen Erfolg von Anfang an verhindert.
Das
Wort „Ziel“ umgibt (bei weitem nicht nur) im
Unternehmertum ein magischer Glanz: So ziemlich alles dreht
sich darum, (s)ein Ziel zu erreichen, möglichst effizient,
ohne Umwege, schnell und ohne großen Aufwand, eben:
„treffsicher“ im wortwörtlichen Sinne.
Kaum ein Berater, der auf solchen Wohlklang für die
Ohren verzichtet, und nicht „zielgerichtete“
Konzepte verkaufen würde.
Dieses
„Zielen+Treffen“ wurde seinerzeit so auch zum
Grundprinzip des Marketing, das Anvisieren von „Ziel-Gruppen“
inklusive. Die Eigenschaft der „Zielstrebigkeit“
gilt als echter persönlicher Erfolgsfaktor. Und schließlich:
„Nur, wer ein Ziel hat, kann es auch erreichen“.
Beispielhaft Übliches rund um Zielsetzung und -erreichung.
Wobei
es sich durchaus lohnen kann, sich bewusst zu machen, dass
jede Zielsetzung immer zweckgerichtet ist. Das heißt:
Wer ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt, verfolgt mit seinem
Denken, Planen und Handeln einen Zweck. Das klingt womöglich
so banal, dass es mit Belanglosigkeit verwechselt wird.
Jedoch:
Genau deshalb wird eben auch nur das gedacht, geplant und
getan, was dem Zweck dienlich ist. Alles andere, was nicht
zweckdienlich ist, gilt als falsch, störend und hinderlich
auf dem Weg zum Ziel. Und spätestens an dieser Stelle
stolpert man zum ersten Mal.
Die
Zielsetzung als Sturz in das 17. Jahrhundert
Zunächst
einmal umarmt man durch die Zweckbestimmung Monsieur René
Descartes, anno 1619, und das „Entweder-Oder”-Denken:
Entweder etwas ist zweckdienlich und deshalb gut. Oder es
ist nicht zweckdienlich und damit hinderlich. Die Welt in
schwarz und weiß.
In farbenprächtigem
Technicolor dagegen sieht das ein klein wenig anders aus.
Und das wirkt sich in jedem Vorgehen immer dann aus, wenn
irgendetwas „dazwischen gekommen“ ist, mit dem
man „nicht gerechnet“ hat, weil man „damit
nicht rechnen konnte“. Vor allem deshalb nicht, weil
es im Kern immer um Menschen geht, deren Denken und Verhalten
eben mit keiner Formel berechenbar ist.
Der
Glaube an die Strategie und an die Zielsetzung lebt jedoch
genau davon, dass das möglich sei. Und zwar durch die
verhängnisvolle permanente Anwendung des „Wenn->Dann”
nach dem „Ursache->Wirkung”-Prinzip à
la Newton, anno 1676.
So stürzt jedes Vorgehen von Anfang an, beginnend mit
der Zielsetzung („Start->Ziel“ bzw. „Ist->Soll“)
in das 17. Jahrhundert, und wird durchgehend auch genau
damit in Form von „Angebot->Nachfrage“, „Sender->Empfänger“
und „Reiz-> Reaktion“ (etc, etc) umgesetzt.
Wenn
Fehlervermeidung Erfolge verhindert
Dieses
sture, lineare Folgeketten-Denken nach dem „Wenn->Dann“
des „Ursache->Wirkung“-Prinzip sorgt dann
(neben etlichen anderen Folgeproblemen) auch für eine
völlig unsinnige Angst vor Fehlern: Eine völlig
unsinnige Angst, der man sogar noch das „Controlling“
widmet, um jede geringste Abweichung vom geplanten Weg sofort
erkennen und schnellstmöglich korrigieren zu können.
Der
Punkt ist: Es wird „auf Teufel komm’ raus“
versucht, das völlig falsche Folgeketten-Denken des
„Wenn->Dann“ vom „Ist“ zum „Soll“
sicherzustellen. Man investiert jede Menge Energie in die
Angst, dass etwas Unvorhergesehenes die so aufwändig
und präzise vorgedachte Planung stören könnte.
Alles, was nicht vorgedacht und vorgeplant und nicht in
dieser geplanten Ablaufkette vorgesehen ist, wird dadurch
willkürlich zu einem „Fehler“ degradiert.
Da es
in unserer Kultur noch immer als unschön gilt, Fehler
zu machen, fügt sich alles dem „Taylorismus“
und konzentriert sich nur noch auf die Planerfüllung.
Unter anderem produziert das zwangsläufig eine Angstkultur
(nicht nur) unter den Mitarbeitern eines Unternehmens, die
„bloß keinen Fehler machen“ wollen. Es
gehen auch jede Mengen Chancen verloren, indem spontane
Impulse absichtlich unterdrückt werden.
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