Mit
dem Begriff „Dritte Welt“ kann heute nahezu
jedes Kind etwas anfangen. Dafür wird von allen möglichen
Stellen gesorgt, hauptsächlich immer kurz vor Weihnachten.
Die „Dritte Welt“ ist zum Synonym für bitterste
Armut geworden, wie die Sowjetunion seinerzeit „das
Böse“ repräsentierte. Was nicht einfach
ist, wird sich eben vereinfacht gedacht.
Was
hat eigentlich ausgerechnet die Sowjetunion im Zusammenhang
mit der „Dritten Welt“ zu tun? Nun… sie
gehörte einmal zur „Zweiten Welt“. So ziemlich
in Vergessenheit geraten und unter den heutigen Jugendlichen
kaum bekannt, wurde „die Welt“ früher noch
auf etwas andere Weise klassifiziert:
Als „Erste Welt“ wurde die „westliche,
freie Welt“ bezeichnet, und der Ostblock als „Zweite
Welt“. Die „Dritte Welt“ umfasste die
Staaten, die sich weder für den West- noch für
den Ostblock entscheiden wollten: die „blockfreien
Länder“.
Seit
der Auflösung des Ost-West-Konfliktes und des „Kalten
Krieges“ verlor diese Klassifikation zwangsläufig
an Bedeutung. Davon übrig geblieben ist die „Dritte
Welt“ als Synonym für die Gesamtheit der Entwicklungsländer,
vielmehr noch: für Armut und Hunger.
Die
„Dritte Welt“ und was das überhaupt sein
soll
Wenn
immer wieder und meist kurz vor Weihnachten das „Spenden
für die Dritte Welt“ aktuell wird, dann reicht
das in aller Regel für die Gebenden völlig aus:
„Wir hierzulande sind vergleichsweise reich, in der
Dritten Welt leiden die Menschen Hunger. Ich gebe gern“.
Dabei
wäre es durchaus sinnvoll, sich zwei oder drei zusätzliche
Gedanken darüber zu machen. Denn zunächst einmal
handelt es sich bei der „Dritten Welt“ um...
einen Begriff. Und mit solch einzelnen Begriffen ist das
immer so eine Sache – weil dabei Zusammenhänge
unter den Tisch fallen, als ob es sie nicht geben würde.
Einmal
davon ausgegangen, die „Dritte Welt“ wird als
Synonym für die Gesamtheit der Entwicklungsländer
verwendet, dann sollte man sich damit beschäftigen,
was ein „Entwicklungsland” eigentlich ist -
oder besser: sein soll.
Eben deshalb, weil es das mitnichten ist - ein Land ist
ein Land und sonst gar nichts. Wenn ein Land als „Entwicklungsland“
bezeichnet wird, dann liegt dem ein bestimmtes Kriterium
und ein Maßstab zugrunde.
Und
bei diesem Gedanken kann man sich durchaus die Frage stellen,
wer oder was sich in diesem Land wohin genau auf welche
Weise entwickelt oder entwickeln soll. Zum Beispiel. Man
kommt dann sehr schnell zu dem Schluss, dass bestimmte Länder
bzw. Verhältnisse in diesen Ländern als Maßstab
gesetzt werden: nämlich die so genannten „Industrieländer”,
deren politische, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse,
die als Messlatte dienen. Und das ist jedes Hinterfragens
würdig.
In Deutschland
zum Beispiel nehmen sich jährlich knapp 11.000 Menschen
ihr Leben, also etwa 30 Menschen am Tag, darunter mindestens
ein Jugendlicher. In der Regel nicht, weil sie Hunger leiden
würden, sondern aus vergleichsweise nichtigen Gründen.
Es wäre zu ermitteln, ob sich in Ländern der „Dritten
Welt“ annähernd so viele Menschen das Leben nehmen(?).
Soll
sich also ein „Entwicklungsland” in diese Richtung
entwickeln? Gilt das als Maßstab? Oder gilt als Maßstab,
dass etwa 88% der deutschen Kinder in armen Familien ihre
Freizeit vornehmlich vor dem Fernseher verbringen? Oder
gilt als Maßstab, im Konsumrausch durch Kaufhäuser
zu hetzen und im Berufsstress über Autobahnen zu jagen?
Gilt als Maßstab und als Optimum, Tiere zur Massenware
zu erklären, und tagtäglich(!) über 270.000
Hühner und mehr als 20.000 Schweine abzuschlachten,
um den „Fleischbedarf” eines „entwickelten”
Landes zu decken? Sind das die Maßstäbe?
Graustufen
jenseits des Schwarz-Weiß-Denkens
Wer
„für die Dritte Welt“ spendet, kann sich
solche zusätzlichen Gedanken über Maßstäbe
und Messlatten und idealisierte Zustände über
das einfache „schwarz-weiß“ hinaus durchaus
machen. Wer darüber nicht unbedingt nachdenken, sondern
ganz einfach nur „etwas gegen den Hunger“ in
sehr armen Ländern tun will, kommt damit aus der Sache
jedoch nicht ganz heraus. Denn:
Dass
enorme Summen an Entwicklungshilfe und Milliarden jährlicher
Spenden (und das: jahrzehntelang) noch immer keinen Deut
an Hunger und Elend in der „Dritten Welt“ geändert
haben, liegt eben unter anderem auch genau daran: an diesen
Milliardensummen.
Einerseits wird die weitere Entwicklung in diesen Ländern
dadurch nicht gefördert, sondern vielmehr gelähmt.
Zum anderen sind gerade in Afrika alle Geschäfte, die
Geld einbringen, sowie der Großteil von Grund und
Boden in staatlicher Hand. Auch das beides wird mit jedem
Spenden-Euro unterstützt. |