Dass
75% aller Strategien scheitern und zwischen 98% und 99%
der Marketing-Kommunikation völlig wirkungslos verpuffen,
liegt (unter anderem) auch daran, dass „die Wirtschaft“
generell überhaupt noch nicht bemerkt hat, was „da
draußen“ in den letzten paar Jahren passiert
ist.
Spätestens
mit dem Entstehen des Privatfernsehens in Verbindung mit
der Verbreitung des Personal Computers, des Internet und
mittlerweile auch des Mobilfunks, hat sich der frühere
Massenmarkt endgültig komplett zersplittert und haben
sich alles aufgelöst, was man früher als „Zielgruppen”
anpeilte.
Diese
Entwicklung ist bereits seit etlichen Jahren bestens bekannt.
Die Reaktion darauf jedoch beschränkte sich wieder
einmal lediglich auf verzweifelte Versuche, die Mittel,
Maßnahmen und Methoden anzupassen – statt die
grundlegende Denk- und Vorgehensweise zu überdenken.
So hat man nichts weiter getan, als sich diebisch über
die „völlig neuen Möglichkeiten“ zu
freuen, die die Neuen Medien, Computer, Internet und Mobilfunk
vermeintlich bieten: Völlig neue Möglichkeiten,
um das Alte und hoffnungslos Überholte weiter zu betreiben.
Epochale
Veränderungen - steinaltes Denksystem
Man
hat bereits vor einigen Jahren also immerhin verstanden,
dass sich „da draußen“ etwas verändert;
dass der Computer, das Internet und inzwischen auch der
Mobilfunk eine epochale Veränderung radikalen Ausmaßes
bewirkt haben.
Mit einer ungeheuren Dynamik und einem Potenzial, das allenfalls
mit der Erfindung des Buchdrucks und der Verbreitung des
Fernsehers als Massenmedium vergleichbar ist, haben sich
nicht nur Denk- und Lebensweisen der Menschen, sondern sogar
Wortbedeutungen komplett verändert. Mehr noch: Diese
neuen Technologien haben die Globalisierung überhaupt
erst ermöglicht, und damit gleich eine weitere epochale
Veränderung bewirkt.
Die
neuen Technologien, Computer, Internet, Mobilfunk haben
also weitaus mehr bewirkt, als im unternehmerischen Vorgehen,
in Strategie und Marketing bislang überhaupt bemerkt
wurde. Man hat sich auf die Neuen Medien und Technologien
gestürzt mit dem simpelst-möglich eingeschränktem
Gedanken, man hätte nun „völlig neue Möglichkeiten“
und Kanäle zur Verfügung, um Menschen mit seinen
Werbebotschaften zu penetrieren und seine Produkte zu verkaufen.
Ein
Denken, noch nicht einmal bis zur nächsten Ecke, mit
dem man seine Kataloge, Prospekte und seine Briefwerbung
auf (u.v.a.) Homepages, auf Werbebanner, Newsletter und
eMail-Werbung und den Aufbau so genannter „Communities“
und das Anbieten von Klingeltönen ausweitete.
Kurz:
Am prinzipiellen Vorgehen in Strategie und Marketing sind
die epochalen Veränderungen durch die neuen Technologien
völlig spurlos vorbeigerauscht und haben an der prinzipiellen
Vorgehensweise nicht das Geringste geändert. Beides
wird noch exact so betrieben wie vor 20, 30 oder 50 Jahren,
lediglich inzwischen erweitert um die „neuen Möglichkeiten“,
Mittel und Maßnahmen. Das wiederum heißt: Die
tiefgreifenden Veränderungen in den Denk- und Lebensweisen
der Menschen wurden und werden noch immer komplett ignoriert.
Das
Festklammern am gedanklichen Mittelalter
Dabei
haben sich mitsamt den neuen Technologien, mit Computer,
Internet und Mobilfunk (und das auch noch zeitlich zusammenfallend
mit der politischen Auflösung des Ostblocks) Wünsche,
Ängste, Normen und Wertvorstellungen verändert.
Es hat sich verändert, was Menschen (u.v.a.) unter
„Kommunikation“, unter „Sinn“ und
unter „Sicherheit“ verstehen, welche Prioritäten
sie setzen, wovor sie Angst haben, was sie hoffen und erwarten.
Und das (beispielhafte) Ganze ist eben bedeutend tiefgehender,
als dass man es hierbei lediglich mit „veränderten
Lebensstilen“, Trends und „Bedürfnissen“
zu tun hätte.
Doch
solche aufgepappten Etiketten sind bezeichnend dafür,
wie versucht wird, alles mögliche durch die ökonomische
Brille zu betrachten, und in allem permanent nichts anderes
sehen zu wollen als „neue Kanäle“ und „Absatzmärkte“.
Tatsächlich jedoch hat hier – wenn man das schon
kategorisiert betrachten will – ein Wandel von der
reinen Lebenserhaltung, über den Lebensstandard zur
Lebensqualität stattgefunden:
In der
Nachkriegszeit ging es um die reine Lebenserhaltung: es
fehlte den Menschen alles und jedes, der Bedarf war enorm.
Ein Anbieter brauchte nicht mehr zu tun, als sein Produkt
anzubieten. Und das war die Zeit, in der sich das Marketing
in Deutschland etablierte und auch noch funktionierte: Im
Zentrum des Denkens stand die Bedarfs-Befriedigung, die
Ware und die Güter.
Mit
zunehmender Marktsättigung in sämtlichen Bereichen
jedoch zu Beginn der 1960er Jahre ging es eben nicht mehr
um die Lebenserhaltung, sondern darum, das ohnehin gesicherte
Leben mit ein paar Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten
zu versehen: Der Wandel zum „Lebensstandard“.
Von da an hatten Anbieter das Problem, dass ihnen die Ware
nicht mehr aus der Hand gerissen wurde. Es gab genug von
allem und das auch noch gleich vielfach. Das Zentrum des
Denkens verlagerte sich vom Warenbedarf zum Markenartikel,
weshalb man ab den 1970er Jahren dann auch die Psychologie
mit in das Marketing holte; in der Hoffnung, die Werbung
damit „treffsicherer” zu machen.
Mit
Beginn der 1990er Jahre wiederum fand der Wandel zur „Lebensqualität“
statt: Das Leben in einer Überflussgesellschaft, dazu
das „Ende der Normalbiographie” (Richard Sennett),
die Auflösung des politischen Ostblocks, die Computerisierung
des Alltags, das gesteigerte Umweltbewusstsein nach der
Katastrophe von Tschernobyl… exact an dieser Stelle
wurde langsam, aber sicher der Zug verpasst und entfernte
sich „die Wirtschaft“ als quasi „eigener
Kosmos“ um Lichtjahre von den Menschen. Denn:
Man
erkannte zwar sehr wohl die Verlagerung zur „Lebensqualität“,
meinte jedoch und meint heute noch immer, diese Verlagerung
auf einen „zusätzlichen Produkt-Nutzen“
reduzieren zu können. Anders formuliert: Enorm clevere
Berater erzählten Unternehmern und Managern, es ginge
jetzt nicht mehr um die Befriedigung von materiellem Bedarf,
sondern von (psychologischen bzw. emotionalen) „Bedürfnissen“
der Kunden. Noch anders: Die Illusion, man könne trotz
epochaler Veränderungen genau so weitermachen wie seit
über 300 Jahren und weiterhin seine Produkte erfolgreich
verkaufen – man müsse nur einfach wieder einmal
die Mittel, Methoden und Maßnahmen irgendwie anpassen.
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