Die
„wettbewerbsorientierte Selbstbehauptung“ ist
ein Grundsatz des Wirtschaftssystems. Formuliert im Jahr
1683 gilt heute noch immer als Handlungsmaxime „Was
gut ist für einen, ist auch gut für alle anderen“.
Ein über 300 Jahre altes Motto, das bis heute den angewandten
Egoismus als Notwendigkeit legitimiert.
Auf
der Grundlage der 1676 von Sir William Petty auf die Beine
gestellten Wirtschaftstheorie, machte sich im Jahr 1683
ein gewisser John Locke daran, das Ganze mit ein paar eigenen
Ideen anzureichern. Wie auch Petty, der unter anderem Mathematik,
Astronomie und Medizin studierte, hatte auch Locke als Philosoph
mit Handel eigentlich nicht besonders viel am Hut.
Locke
installierte zu dem Grundsatz der „wettbewerbsorientierten
Selbstbehauptung” die Richtlinie „Was gut ist
für einen, ist auch gut für alle anderen“.
Er erklärte das am Beispiel von Händlern und Käufern,
die jeder für sich das Beste herausholen wollen: Käufer
wollen die beste Qualität zum besten Preis, die Händler
wiederum müssten im Konkurrenzkampf das optimale Angebot
liefern, um im Wettbewerb zu bestehen und zu überleben
- wobei eine mystische „Unsichtbare Hand des Marktes”
dafür sorgt, dass sich das Ganze „zum Wohle aller”
automatisch auspendelt.
Also:
Wenn jeder egoistisch auf seinen Vorteil bedacht ist, haben
letztlich alle etwas davon. Locke deklarierte daher den
Egoismus als „notwendige Eigenschaft für den
allgemeinen Wohlstand”. Und dieser Grundsatz gilt
noch heute, im 21. Jahrhundert, unverändert.
Ignorierte
Eigendynamik: Aus der Wirtschaft in das Leben
In Verbindung
mit dem gleichfalls herrschenden Effizienzdenken („Es
muss sich rechnen”) führt der legitimierte Egoismus
zu der alles dominierenden Frage: „Was habe ich davon?“.
Deshalb interessiert es „den Kunden“ heute auch
nicht sonderlich, sich beim kleinen Elektrofachhändler
um die Ecke stundenlang kostenfrei beraten zu lassen, der
sich „wenigstens die Zeit dafür nimmt“,
den Fernseher dann jedoch im Superbilligmarkt zu kaufen:
Beratung umsonst bekommen, und den Fernseher „billiger“.
Wie clever.
Dass
bei dieser Denkhaltung reihenweise kleine Händler ihre
Läden schließen müssen, die Innenstädte
veröden, es wieder ein paar Arbeitslose mehr gibt,
der Wettbewerb ausgedünnt und alles das auf Kosten
der Qualität geht… darum soll sich „die
Politik“ kümmern.
Nicht
nur nach diesem steinalten Grundsatz à la Locke,
sondern tatsächlich sogar nach immernoch allgemein
herrschender Ansicht („Jeder muss sehen, wo er bleibt“,
sowie u.a. Ideen der „Abgrenzung” und „Alleinstellung”)
ist dieser Egoismus legitimiert, etabliert und völlig
in Ordnung – sei er von der Realität im 21. Jahrhundert
auch noch so offenkundig eingeholt.
Da sich
„die Wirtschaft“ einerseits und „die Gesellschaft“
andererseits jedoch allenfalls auf dem Papier voneinander
trennen lassen, hat sich diese „wettbewerbsorientierte
Selbstbehauptung“ mittlerweile bis auf sämtliche
Ebenen des Lebens verbreitet. So stark, dass es als „Normalität”
kaum noch auffällt.
Und so dominiert die Frage „Was habe ich davon?“
längst mehr nicht nur beim Handel zwischen Menschen,
sondern auch wenn es ganz simpel darum geht, Omas über
den Zebrastreifen zu helfen, bis in Familien und Partnerschaften
hinein.
Der
angewandte Egoismus:
Die Potenzierung tragischer Folgen
Und
das Ganze: „Zum Wohle unseres Wohlstandes“.
Wird gemeint. Was natürlich irgendwie davon abhängt,
was unter „Wohlstand“ verstanden wird. Der zwischenmenschliche
Umgang wird jedenfalls hier ebenso wenig einbezogen, wie
(z.B.) der Tier- und Naturschutz.
Wenn
nämlich bei „Otto Normalbürger“ die
Frage dominiert „Was habe ich davon?“, und das
auch noch in Kombination mit dem allseits herrschenden Effizienzdenken
(„Es muss sich rechnen“), dann ist es auch ziemlich
nebensächlich, wenn Tiere in Massen gehalten und abgeschlachtet
werden... Hauptsache, das Kotelett bleibt „billig“.
Und
dann ist genau so nebensächlich, woher der Strom eigentlich
stammt: Hauptsache, der Kühlschrank und der Fernseher
läuft. Ob der Strom aus einem Atomkraftwerk kommt oder
aus einer Windkraftanlage interessiert allenfalls am Rande,
sondern vor allem geht es um die Endabrechnung: „Es
muss sich rechnen“, sonst „hat man nichts davon“.
Es regiert
ein über 350 Jahre altes Denksystem. Noch immer. Im
21. Jahrhundert. Doch um das zu sehen, muss man die Augen
etwas weiter öffnen (wollen).
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