Von
„Bio-Gemüse“ über „Wellness-Joghurt“
und „Wellness-Hotels“ bis zum „Nordic
Walking“: Gesundheit, Fitness und Wohlbefinden sind
zum Trend geworden. Und damit auch zu einem Markt, der prima
Umsätze ermöglicht. Beziehungsweise: genau umgekehrt.
Erinnern
Sie sich eigentlich noch, wie das alles begann? Es waren
die Krankenkassen, die als erste erkannten: „Wenn
wir die Leute dazu bringen, dass sie ein bisschen besser
auf ihre Gesundheit achten, können wir unsere Ausgaben
enorm senken“. Es ging dabei also im wesentlichen
und „natürlich“ um Geld. Es ging nicht
um die „kleinen Kosten“, die eine Krankenkasse
für Vorsorge-Untersuchungen, Spritzen und Impfungen
leisten muss, sondern um die „großen Kosten“,
verursacht durch Fettleibigkeit, Rauchen und Bewegungsmangel.
„Unnötige“ Kosten, zu Lasten anderer Beitragszahler,
die gesünder leben.
Zudem
bot sich damit auch gleichzeitig ein „neuer Markt”
mit dem sich Geld verdienen lässt: Mit Kursen für
(z.B.) gesündere Ernährung und Nikotin-Entwöhnung,
praktischerweise angeboten von... den Krankenkassen. Insgesamt
eine fast schon geniale Idee.
Gesundheit,
Fitness und „Wellness“: Einträgliche Selbstläufer
Der
Wandlung der Krankenkassen vom reinen Behandlungsfinanzier
zum Gesundheitsförderer folgte die Kernschmelze im
Reaktorblock IV von Tschernobyl: Es rückte die etwaige
Gesundheitsgefahr durch verseuchte Lebensmittel in das Bewusstsein
der Menschen und „die Wirtschaft“ reagierte
darauf prompt und ideenreich mit „Bio“-Produkten
aller Art.
( Nebenbei erwähnt: Dadurch, dass Letzteres vor mehr
als 20 Jahren stattfand, können 50% der heutigen Jugend
mit dem Begriff „Bio-“ nichts anfangen )
Auf
diese Weise wurde seit dem alles zu einem Selbstläufer,
das irgendwie mit Gesundheit zu tun hat. Auf diesen Zug
sprangen dann auch Anbieter auf, deren Produkte und Leistungen
allenfalls indirekt etwas damit zu tun haben, und für
die man deshalb ein ganz neues Etikett einführte: „Wellness“.
Einzig
und allein deshalb gibt es heute kaum noch „Erholungs-“,
sondern eben „Wellness“-Angebote. Simple Joghurts,
die sicherlich noch niemals wirklich im Verdacht standen
ungesund zu sein, dienen inzwischen dieser „Wellness“
und dem Wohlbefinden, und Fruchtsäfte, die ganz zwangsläufig
diverse Vitamine enthalten, sind inzwischen deklarierte
„Multi-Vitamin“-Getränke.
Zweckmäßige
Gesundheit: Vom Sinn ganz abgesehen
Es kann
natürlich kaum schaden, zwischendurch ein wenig auf
sein gesundheitliches und auch psychisches Wohlbefinden
zu achten. In diesem ganzen Trend, der zum Markt wurde,
bzw. in diesem Markt, der einen Trend erzeugt hat, wird
jedoch einiges versteckt:
Zum einen verbirgt sich auch hierin zwangsläufig das
Weltbild des Menschen als simple Maschine, René Descartes,
anno 1619: Man muss demnach nur die geeigneten Rohstoffe
verwenden und ein bisschen Wartung betreiben, damit die
Maschine reibungslos läuft.
Zum
anderen wird die Art und Weise völlig vernachlässigt,
mit der man angeblich für Gesundheit und Wohlbefinden
sorgen können soll. Die „Drive-In“-Mentalität
nämlich, wie sie prägend für unsere Zeit
ist.
Das heißt: Gesundheit und Wohlbefinden sind eine tolle
Sache. Vor allem zu dem Zweck(!), seine gewohnten Arbeiten
erledigen zu können: Warum sich von Kopf-, Rückenschmerz
oder Erkältung „stoppen lassen?“. Kein
Gedanke, dass genau diese Einstellung erst zum Unwohlsein
und dem entsprechender Symptome führte.
Damit
auf´s Engste verbunden, sich für eine großartige
Auseinandersetzung mit der Krankheit und dem Unwohlsein
keine Zeit nehmen zu müssen. Man hat schließlich
Termine und Verpflichtungen.
Da ist es prima, mit einem „Wellness-Joghurt“
zwischendurch mal eben nebenbei „etwas für seine
Gesundheit tun zu können“. Überhaupt ist
es wunderbar, dass Gesundheit und Wohlbefinden heutzutage
käuflich sind. Zur Not durch einen Krankenhaus-Aufenthalt:
Ein paar Bauteile ausgetauscht und schon läuft die
Maschine endlich wieder rund.
Einige
Menschen, die sich von diesem ganzen Trend sprichwörtlich
verrückt machen lassen, werden genau dadurch krank:
Als „orthorexia nervosa” wird ein krankhaft
übersteigertes Gesundheitsbewusstsein bezeichnet, das
als psychische Essstörung therapeutisch behandelt wird. |