So
ziemlich jeder kann heute etwas mit dem Begriff „Unterbewusstsein“
anfangen, mit dem „Selbstbewusstsein“ erst recht,
und man weiß in der Regel, was eine „Bewusstlosigkeit“
ist. Das alles ist erstaunlich. Denn was Bewusstsein überhaupt
sein soll, ist noch immer völlig ungeklärt.
Selbst
die Gehirnforschung mit ihrer ganzen Hochtechnologie ist
nicht in der Lage, im Gehirn das Bewusstsein eines Menschen
ausfindig zu machen. Und so, wie es aussieht, wird sie es
auch niemals sein. Denn ausnahmsweise herrscht disziplinübergreifende
Einigkeit darin, dass man es hierbei mit einer so genannten
„Emergenz” zu tun hat.
Das
heißt: Das Bewusstsein lässt sich nicht auf irgendeine
organische Funktion, auf irgendwelche Gehirnareale oder
Nervenimpulse oder sonstetwas reduzieren, es lässt
sich noch nicht einmal lokalisieren, weder messen noch analysieren.
Es ist eine Art „Nebenprodukt“. Einigermaßen
erstaunlich ist deshalb, dass dennoch jeder etwas mit diesem
Begriff anfangen kann. Mehr noch: Dass er in etlichen Variationen
zum alltäglichen Sprachgebrauch gehört.
An
der Oberfläche betrachtet: Die Formen des Bewusstseins
Wenn
also noch nicht einmal ansatzweise klar ist, was Bewusstsein
überhaupt ist, wie kann dann jemand sagen: „Entschuldigung,
es war mir nicht bewusst, dass das ein Fehler ist“?
Und wie kann dann sogar die juristische Definition der Strafmündigkeit
eines Menschen auf dessen Fähigkeit basieren, „die
Folgen seiner Handlungen soweit zu überblicken, dass
er bewusst anderen schaden kann“?
Hat
jemand etwas „unbewusst“ getan, dann ist damit
in der Regel „nicht-absichtlich“ gemeint. Der
Umkehrschluss müsste dann lauten: wer etwas bewusst
tut, der handelt mit Absicht. Das jedoch passt nicht ganz.
Denn: Jemand, der etwas unbewusst getan hat, war sicherlich
dennoch „bei Bewusstsein“ und wohl kaum „bewusstlos“.
Das
„Unterbewusstsein“ (in Fachkreisen: „das
Unbewusste“) hat wiederum eine noch ganz andere Kniffligkeit
zu bieten. In der Psychologie nämlich geht man davon
aus, dass das Unbewusste entscheidenden Einfluss auf das
Denken und Verhalten von Menschen hat und die Ursache für
Neurosen sei. Deshalb wiederum müsse eine Therapie
dem Betroffenen bewusst machen, welche unbewussten Einflüsse
auf sein Denken und Verhalten wirken. Auch hier: erstaunlich,
wie das funktionieren soll, wenn noch immer ungeklärt
ist, was Bewusstsein überhaupt ist.
Das
„Selbstbewusstsein“: Doppelte Unklarheit
Besonders
spannend wird diese Angelegenheit, wenn man sich mit diesem
Wissen dem Begriff „Selbstbewusstsein“ widmet.
Eine Qualität, die generell als etwas Positives und
Erstrebenswertes betrachtet wird. Doch siehe oben: Was genau
soll das eigentlich sein?
Rein fachlich-psychologisch handelt es sich beim Selbstbewusstsein
um die Fähigkeit, die eigene Persönlichkeit zu
erkennen und zu definieren. Unter anderem anhand der bekannt
diffizilen Fragen „Wer bin ich eigentlich?“
und „Was will ich?“.
Dass
diese (oft genannt: „Sinn“-) Fragen für
die meisten Menschen dermaßen schwierig zu beantworten
sind, resultiert aus der doppelten Unklarheit des Begriffes.
Zum einen eben die Unklarheit, was überhaupt das Bewusstsein
ist. Zum anderen dazu noch die Unklarheit, was dieses „Selbst“
genau sein soll(?).
Eine
Misere, die zwangsläufig durch das heute noch immer
übliche Denksystem des René Descartes, anno
1619 entstehen muss: Die gedankliche Trennung von „Subjekt“
und „Objekt“, von Geist einerseits und Körper
andererseits.
Also: Der einzelne Mensch isoliert betrachtet vom „Rest
der Welt“. Das eigene „Selbst“ gegenüber…
ja... gegenüber was anderem genau? Kann und sollte
sich ein Mensch überhaupt abgekoppelt von allem anderen
sehen? Wo beginnt das „Selbst“ und wo endet
es? An den Haar- oder Fingerspitzen? An der Hautoberfläche?
Da wir
alle in dieses Denksystem hineingeboren wurden und nur die
wenigsten Menschen (um die 10%) bisher erkannt haben, dass
es sich hierbei um ein hoffnungslos überholtes Weltbild
handelt, stehen die meisten vor großen Problemen,
wenn es um ihr Selbstbewusstsein geht.
Das, was zum Erkenntnisgewinn und zur (mehrfachen) Weiterentwicklung
also zunächst einmal erforderlich wäre: Abschied
nehmen von einem mittelalterlichen Denksystem. |