Zu
früheren Zeit noch verpönt und ins Lächerliche
gezogen, wird der Intuition, dem „Bauchgefühl“,
der „Eingebung“ inzwischen mehr Beachtung gewidmet,
längst nicht mehr nur in Psychologie und Gehirnforschung.
Doch auch hierbei verhindert ein mittelalterliches Denken
einen wirklichen Erkenntnisgewinn.
Wer
bisher meinte, dass die Intuition im Vergleich zur rationalen
Entscheidung des Verstandes ein eher kümmerliches Dasein
fristen würde, der berichtet entweder aus vergangenen
Zeiten oder von noch immer kursierenden Gerüchten.
Tatsächlich
nämlich steht längst fest, dass keineswegs nur
die kleinen Entscheidungen des Alltags meist intuitiv getroffen
werden - nicht erst beginnend bei einem „Die Ampel
leuchtet zwar schon dunkelgelb, aber das schaffe ich noch“.
Vielmehr werden „sogar“ Entscheidungen an der
Börse über Investitionen in Millionenhöhe
der Eingebung anvertraut: Es wäre schlicht und einfach
keine Zeit, um großartige rationale Überlegungen
anzustellen.
Das
deutet bereits auf einen der enormen Vorteile der Intuition
hin: sie ist schnell. Sehr schnell. Nicht zuletzt auch für
Torwarte vorteilhaft, die auf einen Ball reagieren müssen,
der mit mehr als 100km/h auf sie zugerauscht kommt.
Das
versteckte Wissensarchiv: Intuition als Sammellager
Die
„Anwendungsgebiete“ der Intuition und Eingebung
sind also vielfältig. Wobei auch radikale Rationalisten
nicht die Wahl haben, ob sie zwischendurch auf ihre Intuition
hören wollen oder nicht doch lieber dem berechnendem
Kalkül ihres Verstandes vertrauen:
An jedem Entscheidungsprozess ist immer auch die Intuition
beteiligt. Ob man das nun möchte oder nicht. Der Punkt
ist: Es handelt sich dabei eben nicht – wie früher
landläufig gemeint – um ein („Bauch“-)Gefühl.
Sondern inzwischen ist man sich in Forscherkreisen einig,
dass die Intuition eher einem „Sammellager für
Wissen“ ähnelt.
Dieses
Phänomen ergibt sich nahezu zwangsläufig daraus,
dass die bewusste Wahrnehmung eines Menschen enorm begrenzt
ist: Gerade einmal 0,01% von all dem, was um einen Menschen
herum passiert, nimmt er wirklich bewusst wahr. Der überwältige
Rest jedoch „verpufft“ nicht einfach irgendwo
zwischen Sinnesorganen und Gehirn, sondern wird unbemerkt
„archiviert“.
Das
Gehirn kann eben „nur“ etwa 40 Sinneseindrücke
gleichzeitig verarbeiten. Bei 11 Millionen Reizen jedoch,
die pro Sekunde auf den Menschen eintreffen (selbst wenn
er einfach nur tatenlos in der Ecke herumsteht), wäre
das Gehirn schlicht überfordert, sämtliche Eindrücke
tatsächlich rational zu verarbeiten. Welche Eindrücke
allerdings nach welcher Priorität „archiviert“
und „zwischengelagert“ werden, ist bei jedem
Menschen verschieden und hängt vom individuellen Wahrnehmungsfokus
ab.
Unsinnige
Gegenüberstellung: Intuition vs Verstand
Trotz
aller dieser inzwischen von der Forschung bestätigten
Fakten werfen immer wieder diverse „Experten“
mit Artikeln in Fachzeitschriften die Frage auf, ob man
„der Intuition trauen darf“ oder nicht doch
besser „den Verstand einschaltet“.
Jedoch:
Diese Frage stellt sich eben überhaupt nicht –
es sei denn natürlich, jemand wirft sie auf. Siehe
oben: Es lässt sich der Verstand genau so wenig „einschalten“,
wie sich die Intuition „abschalten“ lässt
– es sei denn natürlich, man betrachtet den Menschen
als Maschine und denkt zudem noch fein säuberlich getrennt
in den Kategorien des „Entweder-Oder“: René
Descartes, anno 1619.
Erst
recht peinlich wird es, wenn für „Intuition“
das Wort „Bauchgefühl“ nicht nur als Synonym
verwendet, sondern allen Ernstes auch immernoch als „bloßes
Gefühl“ betrachtet wird – und man somit
dann auch zwangsläufig der längst überholten
Ansicht ist, man könne und „müsse“
sogar („Bauch“-)Gefühl gegen Vernunft und
Verstand abwägen. |