Etliche
Bücher und Seminare versprechen Methoden, mit denen
man sich ein größeres Selbstbewusstsein zulegen
kann. Doch wie so oft wird darauf verzichtet zu erklären,
um was es sich dabei überhaupt handelt. Weil man auch
das glaubt zu wissen.
Was
genau üblicherweise mit dem Begriff „Selbstbewusstsein“
in Verbindung gebracht wird, zeigt schon ein kurzer Blick
auf die Versprechungen einschlägiger Methoden:
Das Arbeiten an größerem Selbstbewusstsein ermöglicht
unsicheren Menschen demnach mehr Sicherheit. Es ermöglicht
Menschen, die sich von anderen wie ein Spielball hin- und
herschubst fühlen, mehr Durchsetzungskraft. Und es
ermöglicht beruflichen und privaten Erfolg, indem man
innere Stärke aufbaut und ausstrahlt.
Bei
all diesen und noch weiteren Angeboten zur Behebung eines
mangelnden Selbstbewusstseins und zu dessen Stärkung
wird jedoch in aller Regel kaum jemals erläutert, was
das eigentlich sein soll. Es wird schlicht und einfach vorausgesetzt,
dass man das weiß. Doch wie sagte schon Konfuzius:
„Setze niemals etwas voraus“.
Das
eigene „Selbst“ und „die Welt da draußen“
Seit
René Descartes anno 1619 stellvertretend für
die Menschheit beschlossen hat, dass „der Geist nichts
enthält, was dem Körper zuzurechnen ist, und der
Körper nichts enthält, was dem Geist zugehörig
ist“, ist (unter etlichem anderem) ein Denksystem
etabliert, das „Subjekt+Objekt“ - damit auch:
Körper und Geist - voneinander getrennt sieht.
Eines der unzähligen Folge-Probleme dieses steinalten
Denkens ist, dass sich Menschen als abgekoppeltes und isoliertes
Individuum betrachten, quasi als „Der Mensch in seiner
Um-Welt“. Nur deshalb wiederum ist es überhaupt
möglich, dass sich Menschen mit ihrem „Selbst“
beschäftigen.
So wird
versucht, an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zu arbeiten,
und etwaige Selbstzweifel dabei auszuräumen. Zum Beispiel.
Vornehmlich, um „in der Welt da draußen“
mehr zu erreichen. Ebenfalls René Descartes war es,
der damals im 17. Jahrhundert zu der Erleuchtung kam „Ich
denke, also bin ich“. Also: Die Fähigkeit des
Denkens als Form der Selbst-Erkenntnis - herauszufinden
durch den angewandten Selbst-Zweifel, den „Zweifel
aus Prinzip”.
Neben
der persönlichen Denkfähigkeit genügt schließlich
auch ein einziger Blick in den Spiegel, um zu sehen, das
man ein eigenständiges Individuum und ein „Selbst“
ist. Das Kernproblem dieser mittelalterlichen Denkweise
jedoch liegt vor allem darin, dass eben – nach Descartes
– Körper und Geist als „von einander getrennt“
betrachtet werden, und genau deshalb auch das eigene „Selbst“
als getrennt vom Rest der „Welt da draußen“.
Gefangen
innerhalb selbst-erdachter Grenzen
Auf
diese Weise wird das „Nachdenken über sich selbst“
erstens sehr schnell zu einem Nachdenken über den eigenen
Körper und das rein optische, eigene Erscheinungsbild.
Ein Grund dafür, dass sich (zum Beispiel) Kosmetik,
Wellness und plastische Chirurgie solcher Beliebtheit erfreuen,
um sich dadurch vermeintlich „mehr Selbstbewusstsein“
zu verschaffen: „Der Körper muss für
das herhalten, was der Geist nicht imstande ist, zu leisten“
(Vilém Flusser).
Und
zweitens wird durch dieses gesamte Denksystem völlig
verdrängt, dass es irgendein „Selbst“ abgekoppelt
und isoliert von allem anderen nicht geben kann. Denn: Es
gibt keine wie immer geartete „Grenze“ zwischen
dem eigenen „Selbst“ und der „Um-Welt“.
Das beginnt bereits bei der Luft, die in die Lungen eingeatmet
wird, und bei Haut und Haaren, die (u.v.a.) der Temperatur,
Licht und Luft der Umgebung ausgesetzt sind. Das wiederum
ganz abgesehen von allem, was über Augen und Ohren
wahrgenommen wird: wo soll hier irgendwo eine „Grenze“
zwischen dem eigenen „Selbst“ und der „Um-Welt“
festzumachen sein? Wo hört das „Selbst“
auf und wo beginnt es? An den Haaren? An der Netzhaut des
Auges?
Wie
bestens zu erkennen: das Ganze spielt sich vornehmlich im
Kopf ab. Und es ist einigermaßen fatal, an einem „Selbstbewusstsein“
arbeiten zu wollen, das abgekoppelt und isoliert vom „Rest
der Welt“ betrachtet wird – und mit dieser Denkweise
des 17. Jahrhunderts auch noch irgendwie optimiert werden
soll. |