Die
„Sieger-Mentalität“ ist eine der Charaktereigenschaften,
die als grundsätzlich positiv, vorteilhaft und erfolgsentscheidend
betrachtet werden. Doch auch die damit errungenen Medaillen
haben ihre zwei Seiten; gerade die goldenen.
Wie
heißt es so schön: „Man gewinnt nicht Silber,
sondern man verliert Gold“. Ein zweiter Platz ist
demnach eine Niederlage und gilt als ärgerlich, hin
und wieder gar als peinlich. Sieg oder Niederlage, Erfolg
oder Fehlschlag.
Die
Analogie zwischen Sport und Unternehmertum, Karriere und/oder
Lebenserfolg liegt greifbar nahe. Entweder man schafft es
zum Marktführer oder eben nicht. Man gewinnt den Kunden
oder eben nicht. Man bekommt die Beförderung oder eben
nicht. Ein „Entweder-Oder“, bei dem es kein
„Dazwischen“ gibt. Es gibt nur Sieg oder Niederlage,
Sieger und Verlierer. Und ’mal ehrlich: Wer will schon
Verlierer sein?
An dieser
Stelle beginnt die Analogie knifflig bis halsbrecherisch
zu werden. Denn: Erstens sind die Zeiten vorbei, in denen
Verlierer den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurden.
Und zweitens stolpert man hier keineswegs über faktisches
Verlierertum, sondern über das, was man im Kopf damit
verbindet. Und das sind zwei Paar Schuhe.
Die
Relativität der Niederlage
Dass
die Analogie zum Sport auch für Unternehmertum, Karriere,
heute oft sogar für schulische Leistungen herhalten
muss, liegt vor allem daran, dass der nackte Kampf à
la Darwin um das wirtschaftliche und soziale „Überleben”
in Form eines Euphemismus als „Wettbewerb” verharmlost
wird.
Der Vergleich mit dem Sport hinkt jedoch vor allem deshalb,
weil es im Sport nur vergleichsweise selten um die nackte
Existenz geht. Wohingegen eine „Niederlage“
im Unternehmertum schon einmal Tausende von Menschen in
größte finanzielle Not bringen kann.
Zum
anderen haben sportliche Niederlagen keinerlei Einfluss
auf den Sympathiegrad, der dem Verlierer zuteil wird. Nicht
selten sogar im Gegenteil wird der Unterlegene mindestens
genauso oder sogar mehr umjubelt als der Sieger.
Der „wirtschaftliche Verlierer“ dagegen hat
hierzulande keine Lobby und wird dauerhaft und nachhaltig
als „Verlierer” abgestempelt, der nur in Ausnahmefällen
eine zweite Chance bekommt.
Wenn
man allerdings dennoch eine Analogie zum Sport sehen möchte,
kann vor allem ein Satz des Fußballtrainers Otto Rehagel
als Empfehlung dienen: „Geld schießt keine Tore“.
Demnach lässt sich Erfolg also nicht erkaufen. Die
pure Größe eines Unternehmens, dessen Investitionskraft
und Werbeausgaben allein sind weder Erfolgsgarant, noch
hätte ein Selbstständiger allein deshalb schlechtere
Karten. Wie im Sport nämlich auch sind für den
Erfolg ganz andere Aspekte deutlich relevanter. So etwas
wie „Freude am Spiel“ und eine gewisse Unbeschwertheit
und Lockerheit.
Kampf
kostet Energie, die woanders fehlt
Wer
nämlich verbissen „um den Sieg kämpft“,
kann sich damit mitunter auch selbst im Weg stehen. Oder
wie die Extrembergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner meinte:
„Würde ich einen Konkurrenzdruck verspüren,
[...] wäre ich völlig blockiert und würde
mich einer äußerst großen Gefahr aussetzen”.
Das ist nicht zuletzt, was sich in dem Begriff „Sieger-Mentalität“
verbirgt: Die mentale Einstellung.
Natürlich
klingt es dabei hin und wieder respektabel, wenn jemand
sagt „Ich denke nicht daran, aufzugeben“;
eben ganz so, wie es auch im Sport gefragt ist. Jedoch:
An dieser Stelle, an der zu einem solchen Satz gegriffen
wird, ist es oft schon zu spät. So jemand befindet
sich offenbar in Schwierigkeiten und will „sich durchbeißen“
– was nicht unbedingt das ist, was als Unbeschwertheit
und Lockerheit betrachtet werden kann. In Interviews liest
und hört man von Sportlern dann: „Ich war
mental einfach nicht gut drauf“.
Nichts
anderes als den Erfolg im Kopf zu haben ist also keineswegs,
was eine „Sieger-Mentalität“ auszeichnet.
Eher im Gegenteil geht es darum, zwischendurch auch einmal
etwas anderes zu denken und zu tun, um „neue Energie
zu tanken“ und „den Kopf frei zu haben“.
Wie
in allen anderen Bereichen auch, ist jede Einseitigkeit
durch „volle Konzentration“ eher nachteilig.
Es geht vielmehr darum, ein so genanntes „dynamisches
Gleichgewicht“ (Homöostase) zu finden. Das wiederum
ist eine Qualität, die für es kein Patentrezept
gibt. Das optimale (z.B.) mentale Gleichgewicht ist für
jeden Menschen ein anderes und muss ganz individuell gefunden
werden. Exact aus diesem Grund haben Spitzen-Sportler und
-Teams einen eigenen „Mental-Trainer“. Und Sie? |