Darwin
heute im 21. Jahrhundert: Selbstbehauptung und Durchsetzungsstärke,
gern auch unter dem Begriff „Konsequenz“ zusammengefasst,
gelten als Erfolgsfaktoren. Der Rivalitäts- und Kampfgedanke
als ständiger Wegbegleiter, ständig in Angriffs-
und Abwehr-Bereitschaft. Selbst dann, wenn es gar nichts
zu (be-) kämpfen gibt.
Wann
fühlt sich ein Mensch angegriffen und meint, sich verteidigen
zu müssen? Wann hat er das Gefühl, sich selbstbehaupten
und/oder sich durchsetzen zu müssen? Beispielhafte
Fragen aus den Bereichen der Psychologie und der Kommunikation,
nicht zuletzt auch aus Unternehmertum, Karriere und zwischenmenschlichen
Beziehungen.
Ein
wenig tiefer unter der Oberfläche und an den Begriffen
erkennbar: Fragen, angelehnt an die Bereiche von Kampf und
Kriegführung– was an sich bereits ein wenig nachdenklich
machen kann und sollte.
Denn:
In der Tat handelt es sich sowohl bei der Art und Weise
dieser heute völlig üblichen und gewöhnlichen
Formulierungen um Nachwirkungen des Jahres 1859, „Die
Evolution durch natürliche Auslese” von Charles
Darwin bzw. ein Jahr zuvor, 1858 „Survival Of The
Fittest“ von Alfred R. Wallace. Inzwischen übergegangen
in die ganz normale Denkhaltung und Lebensweise der Masse
der Menschen.
Statt
drohendem Verlust:
Die Möglichkeit, neue Einsichten zu gewinnen
Ein
Mensch fühlt sich vor allem dann „angegriffen“,
wenn er den Eindruck hat, etwas beschützen zu müssen.
Etwas, das ihm besonders wichtig ist. Zum Beispiel: Seine
Überzeugung und seine Meinung, die er dem entsprechend
dann auch zu „verteidigen“ versucht.
Hier
werden Menschen das Opfer des Sprachgebrauches, nach dem
es heißt, dass man eine Überzeugung und eine
Meinung hat. Damit wird sehr subtil die eigene Sichtweise
mit einer Art „Privateigentum“ gleichgesetzt.
Und etwas, das man in Besitz hat, gibt man selten völlig
kampflos(!) auf.
Apropos
„Privateigentum“: Der Begriff stammt aus dem
Lateinischen „privare“ und bedeutet „jemand
anderem etwas wegnehmen“. Wer eine Überzeugung
und eine Meinung hat, und sie dem entsprechend auch als
wertvollen Besitz und sein „Privateigentum“
betrachtet, der unterliegt dann sehr leicht auch dem unterschwelligen
Eindruck, dass jemand anderer ihm seine Überzeugung
und Meinung „wegnehmen“ möchte. Und so
wird eine Diskussion zur Kriegführung.
Hier
wäre es durchaus sinnvoll, die Meinungsbildung als
niemals abgeschlossenen Akt, sondern als einen sich permanent
entwickelnden Prozess zu begreifen. Das nämlich würde
auch beinhalten: Es droht niemals irgendein Verlust, sondern
es bietet sich im Gegenteil die Möglichkeit, seine
Überzeugung und Meinung so zu bewegen, dass man neue
Einsichten gewinnen kann.
Bei
dieser Veränderung der Denk- und Sichtweise gibt es
also auch nichts mehr vor Verlust zu beschützen und
vor Angriffen zu verteidigen, sondern man kann nur noch
gewinnen. Das jedoch erfordert, sich vom ganz normalen,
üblichen Kampfgedanken á la Darwin grundsätzlich
zu verabschieden – und zwar eben nicht nur, wenn es
um den Prozess der Meinungsbildung geht.
Prozessdenken
statt Standpunkte:
Die Auflösung etlicher Probleme
Es ist
von eminenter Bedeutung, das noch immer üblich-normale
Denksystem und die Lebensweise des „Nur der Stärkere
überlebt“ als ein grundsätzliches Problem
zu erkennen, das sich wie ein „Roter Faden“
durch sämtliche Lebensbereiche zieht. Und zu Folge-Problemen
führt, die sich (siehe oben) mit einer anderen Sichtweise
auch völlig anders darstellen. Nach Einstein: „Die
Theorie bestimmt, was wir sehen”.
Diese
andere Sichtweise besteht darin, Vorgänge und Abläufe
auch als solche zu erkennen. Nämlich: Als Prozesse,
die sich in permanenter Bewegung und Veränderung befinden.
Das jedoch klingt leichter als es für viele Menschen
ist. Denn wir sind es gewohnt, alles mögliche in irgendeine
Ordnung bringen zu wollen, Ansichten in Schubladen abzulegen,
Maßstäbe und Kategorien anzulegen, Territorien
ein- und abzugrenzen, uns daraus Standpunkte zu bilden,
einzunehmen und „konsequent zu vertreten“.
Für
permanente Bewegung und Veränderung ist darin kein
Platz, denn: wer auf einem Stand(-)Punkt steht, wer eine
ganz bestimmte Position(-ierung) einnimmt, der bewegt sich
eben nicht. Viel schlimmer noch, wenn eine geistige, mentale
Flexibilität als „Inkonsequenz“ betrachtet
wird und man lieber weiterhin… kämpft.
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