Das
noch immer übliche mittelalterliche Denksystem erstickt
etliche Möglichkeiten nicht nur bereits im Ansatz,
sondern sogar noch weit vorher. Die Rede ist vom „Entweder-Oder“,
durch das man sich künstliche Grenzen setzt, die keine
sind.
„Entweder-Oder
– man muss sich entscheiden“. Und da eine falsche
Entscheidung weitreichende Folgen haben kann, will sie gut
überlegt und bestmöglich abgesichert sein. Meint
man. Dabei investiert man jedoch nicht selten eine enorme
Energie, Zeit, Aufwand und Geld in ein Problem, das womöglich
gar keines ist – weil das eigentliche Problem nicht
die Ent-, sondern vielmehr die Unterscheidung ist.
Auch
diese Angelegenheit geht auf das Jahr 1619 und auf René
Descartes zurück. Wie recht bekannt ist, führte
Descartes den „Zweifel aus Prinzip“ ein, um
dadurch irgendwann zu einem vernünftigen Ergebnis zu
gelangen. In seinem Fall damals war es die Frage, wie er
zweifelsfrei feststellen könne, dass er existiert.
So bezweifelte Descartes bei seinen Überlegungen alles
ihm nur erdenklich mögliche, bis er zu der Antwort
„Ich denke, also bin ich“ gelangte („cogito
ergo sum“).
Der
„Zweifel aus Prinzip“: Gefangen im 17. Jahrhundert
Diese
Methodik des „Zweifels aus Prinzip” wird seit
nunmehr fast 400 Jahren nicht nur angewendet – sie
wurde nahezu perfektioniert. So wird heute kaum noch etwas
„einfach so“ geglaubt, der „gesunde Menschenverstand“
oder „sogar“ nur die Überzeugung und der
Glaube an die Richtigkeit einer Beurteilung oder Entscheidung,
Eingebung und intuitives Gespür sind heute allein nicht
mehr ausreichend.
Das
erklärt zum einen die heutige Sucht nach Analysen,
Studien und Statistiken, nach Prognosen, Nachweisen und
Beweisen aller Art, von Kompetenz- und Leistungsnachweisen
bis zu „Liebes-Beweisen“ – auf sämtlichen
Ebenen des Lebens. Allesamt Kenntnisstand: 1619. Auf dieselbe
Weise wird (u.v.a.) mit der vermeintlichen Logik einer Planung
und eines Vorhabens umgegangen:
Der „Zweifel aus Prinzip“ verlangt das „Entweder-Oder“.
Entweder es ist logisch-nachvollziehbar und „gut durchdacht“.
Oder eben nicht. Entweder das Ganze verspricht Erfolg (wenn
alle Zweifel ausgeräumt werden). Oder eben nicht.
Zu den
etlichen Stolpersteinen, die dieses „Entweder-Oder“
produziert, gehört auch die generell fehlgedeutete
und völlig überschätzte Logik („Folgerichtigkeit“):
Entweder man denkt und handelt vernünftig, gut überlegt
und logisch. Oder man denkt und handelt unlogisch, also
unüberlegt und unvernünftig und irgendwie „aus
dem Bauch heraus“. Das alles ist grober Unfug aus
Unkenntnis.
Künstliche
Grenzen einer Fehlanwendung der Logik
Tatsächlich
nämlich gilt grundsätzlich das „Sowohl-als-auch“.
Nicht erst, seit dem James Clerk Maxwell im 19. Jahrhundert
zweifelsfrei nachweisen konnte, dass Licht aus Wellen besteht
– während ein gewisser Albert Einstein später
exact genauso zweifelsfrei nachweisen konnte, dass Licht
aus Teilchen besteht. Also nicht „entweder-oder“,
sondern „sowohl-als-auch“: Licht ist beides,
Welle und Teilchen.
Nach
Einstein wies auch der Nobelpreisträger Werner Heisenberg
nach, dass das „Sowohl-als-auch“ ein grundsätzliches
Phänomen unserer Welt bis auf die atomare Ebene ist.
Worauf Niels Bohr später den Begriff „Komplementarität“
in die Physik einführte. Natürlich: Das „Entweder-Oder“
ist zuweilen praktikabler und wie man so schön sagt
auch „praxisnäher“. Wer von München
nach Berlin fliegen will, kann nur entweder in das Flugzeug
steigen oder nicht, und wird mit einem „Sowohl-als-auch“
nie in Berlin ankommen.
Jedoch
sollte man sich zumindest(!) bewusst darüber sein,
dass man mit dieser Praktikabilität und Praxisnähe
sehr weit von der tatsächlichen Realität entfernt
ist – und sich nicht wundern muss, wenn man mit dem
„Entweder-Oder“ irgendwann vor künstlichen
Grenzen steht, die de facto nicht existieren, gerade ...wenn
es um Menschen und Menschliches geht.
Anders
formuliert: Dass einem (nur) das „Entweder-Oder“
des Verstandes und der Logik scheinbar unüberwindbare
Grenzen setzt. Dass einem (nur) das „Entweder-Oder“
des Verstandes und der Logik im Weg steht, und einem den
freien Blick auf Chancen und Möglichkeiten versperrt.
Denn: Der Verstand und die Logik sind eben lediglich nur
rein gedankliche Hilfsmittel – jedoch mitnichten:
die Realität.
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