Das
„Informations- und Wissenszeitalter“, in dem
wir angeblich leben, geht Hand in Hand mit dem „Zeitalter
der totalen Kommunikation“: Zunächst der Computer,
dann Internet und schließlich der Mobilfunk. Jedoch
mit ziemlich unerfreulichen Nebenwirkungen.
Noch
vor zwanzig Jahren strapazierte es die Grenzen der Vorstellungskraft,
dass Computer in Haushalten herumstehen würden, geschweige
denn über eine Datenleitung mit einem weltweiten Gesamtnetz
verbunden werden könnten. Wozu sollte das auch nützlich
sein?
Ähnlich verhält es sich mit dem Mobilfunk: Tragbare
Telefone, kleiner als eine Zigarettenschachtel, jederzeit
an jedem Ort erreichbar? Für das berüchtigte Jahr
2000 wurde alles mögliche visioniert: Schwebende Autos,
Siedlungen auf dem Mond, Hausroboter – Internet und
Mobilfunk dagegen tauchten in keiner populären Zukunftsvorhersage
auf.
Propagierte
Möglichkeiten und die prekären Fehlschlüsse
Mit
der Verbreitung des Computers von Regierungsstellen und
Konzernabteilungen in die Privathaushalte, beginnend mit
dem „Heim-“ und dem „Personal Computer“
begann dann die so genannte Ära der „totalen
Kommunikation”.
Jedoch: Zunächst einmal hat man in dem ganzen Tohuwabohu
um die permanente Leistungssteigerung der technischen Möglichkeiten
komplett verdrängt, was „Kommunikation“
eigentlich bedeutet und beinhaltet, und heimlich, still
und leise auf die Technik reduziert.
Zudem
und parallel dazu wurde mit der Konzentration auf die Quantität
der technischen Möglichkeiten irgendwie vergessen,
auch ein klein wenig auf die Qualität der Kommunikation
aufzupassen: Die heutige enorme Menge und Variation der
rein technischen Möglichkeiten wurde und wird weiterhin
damit gleichgesetzt, als würden damit auch die Wissensmenge
und der Bildungsgrad der Menschen steigen. Mehr noch: Als
würde dadurch auch mehr Menschen aus Einsamkeit und
Isolation geholfen werden.
Bei
all dem jedoch ist eher das Gegenteil der Fall: Diverse
(„PISA“-) Studien prangern ein eklatantes Wissens-
und Bildungsdefizit an - interessanterweise nicht bei älteren
Menschen, die noch ganz ohne die Neuen Medien aufgewachsen
sind, sondern bei Heranwachsenden, für die der Computer
quasi der dritte Elternteil ist.
Lehrer wiederum können die „totale Kommunikation“
an ihren Schulen beim besten Willen nicht feststellen, sondern
vielmehr eine Zunahme von Gewalt auf Schulhöfen.
Ansonsten liegen die aktuelle Ehescheidungsrate und Zahl
der Singles auf Rekordhöhe – die „totale
Kommunikation“ beschränkt sich auch hier eben
auf den Boom von Partneragenturen, Telefon-Hotlines und
diverse Websites, also: auf die rein technischen Möglichkeiten
„mehr zu kommunizieren”.
Legitimierte
Volksverdummung als fragwürdiger „Fortschritt“
Dabei
sind diese Nebenwirkungen alles andere als ein Wunder. Wozu
schließlich soll man noch mühevoll lernen, wenn
sich jedes „Wissen“ per Mausklick aus dem Internet
oder von der Festplatte abrufen lässt? Wozu schließlich
braucht man so etwas wie Empathie und „soziale Kompetenz“,
wenn das in „Chat-Räumen“ genauso wenig
erforderlich ist, wie beim Versenden von „SMS“-Mitteilungen?
Apropos
„Chat-Räume“ und „SMS“-Mitteilungen:
Ein Austausch, in dem so genannte „Emoticons“
und wilde Abkürzungen die absolute Normalität
sind, ein Austausch, in dem einzelne Semikolons und Doppelpunkte,
und in dem so etwas wie „HDL“ (für „Hab
Dich lieb“) ausreichen, um komplette Botschaften zu
übermitteln...
…wenn eine solche Art und Weise der Verständigung
nicht nur als „normal“ betrachtet wird, sodass
sogar in Geschäftskontakten ein simples „MfG“
mittlerweile als ausreichend empfunden wird, dann muss sich
niemand - auch kein Personalchef, der sich regelmäßig
über Bewerbungen ärgert - ernsthaft über
die Ausuferung zunehmender sprachlicher Unfähigkeiten
wundern. Eigentlich.
Und
es muss sich auch niemand ernsthaft über Phänomene
wie den „Otaku“ wundern: Menschen, die sich
in der Parallelwelt des Internet bedeutend wohler fühlen
als in ihrer realen Umgebung. Wobei hier extreme Computerspielsucht
gerade einmal am Beginn der Entwicklung eines Menschen zum
„Otaku“ steht.
Neben den prekären Folgen für Psyche, Bildung
und Sozialverhalten von Menschen sind übrigens auch
physische Auswirkungen zu beobachten. Außer Hyperaktivität
neuerdings auch der „SMS-Daumen“ als körperlicher
Defekt durch übermäßiges Tippen auf der
Telefontastatur.
Das
alles (und noch einiges mehr) wird hingenommen und sogar
legitimiert: Zum Wohle des „Fortschritts“ und
Wirtschaftswachstums. |