Obwohl
wir heute in einer hochtechnisierten, hochzivilisierten
Welt des Fortschritts leben, obwohl noch nie so viele Wissenschaftler
forschten, wie heute, und obwohl Bildung und Wissen höchsten
Stellenwert genießen: Etwa 90% der Menschen praktizieren
ein Denksystem des Mittelalters – ohne es überhaupt
zu ahnen.
Wenn
heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts von (zum Beispiel)
Politikern Gesetze und Reformen beschlossen werden, wenn
Wissenschaftler forschen, wenn Manager Strategien planen
und umsetzen, und auch wenn Otto Normalmensch die Entscheidungen
für seine Karriere und sein Privatleben trifft…
...etwa
90% aller dieser Menschen tun das mit einem Weltbild und
einer Denkweise des Mittelalters! Das ist schon deshalb
nicht zu unterschätzen, weil das Denksystem nun einmal
die Basis dafür ist, was (u.v.a.) für richtig
und falsch, für wichtig und unwichtig gehalten wird:
Das Denken bestimmt das Handeln. Und das Handeln wiederum
bestimmt die Ergebnisse.
Noch
immer „ganz normal“: Ein fast 400 Jahre altes
Fehldenken
Das
„Maschinendenken“, von dem hier die Rede ist,
wurde zum ersten Mal im Jahr 1619(!) von René Descartes
ausformuliert, daher auch „kartesianisches Weltbild“,
zuweilen auch „cartesisches Weltbild” genannt.
Nach Descartes ist die gesamte Welt, sowie auch der Mensch,
nichts weiter als eine einzige große Maschine, wie
„ein präzises Uhrwerk, das von Gott aufgezogen
wurde“ (Originalzitat Descartes), deshalb auch „mechanistisches
Denken”.
Das
heißt: Sämtliches Leben, Vorgänge und Abläufe,
die Natur, der Mensch, Probleme und Lösungen funktionieren
demnach wie simple Maschinen, aus Einzelteilen zusammengesetzt,
kalkulierbar und berechenbar. Fehlfunktionen lassen sich
durch Zerlegen aufspüren und Störungen durch neue
Bauteile oder durch Feinjustierung beheben, ansonsten benötigt
man nur die richtige Betriebs- und Bedienungsanleitung.
Wer
nun meint, dass man das heute, fast 400 Jahre später,
natürlich besser wüsste, liegt damit zwar völlig
richtig – dennoch ist dieses mechanistische Denksystem
heute noch immer „ganz normal“ und wird von
etwa 90% der Menschen in aller Selbstverständlichkeit
tagtäglich und auf sämtlichen Ebenen praktiziert.
In Politik, Forschung, Medizin, Wirtschaft, Privatleben,
etc.
So meinte
etwa der Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes
zu den Folgen der Ölpreisentwicklung: „Mit dem
[…] Zusammenfügen einzelner Räder des Wertschöpfungsprozesses
zu einem stimmigen Uhrwerk höchster Präzision,
lässt sich auch in Zukunft sehr viel Geld verdienen“.
René Descartes lässt grüßen.
Dieses
mittelalterliche Weltbild und Denksystem, sich mitten in
einer großen Maschine, in einem „präzisen
Uhrwerk” zu befinden, ist also schon im alltäglichen
Sprachgebrauch bestens erkennbar: Wenn eine „Wachstumsmaschine“
(oder auch anderes) „in Gang gebracht wird“,
wenn „der Konjunkturmotor stottert”, wenn etwas
„reibungslos läuft“ oder auch „wie
geschmiert“, wenn etwas „ganz automatisch“
passiert und „prima funktioniert“, wenn „der
Kopf raucht“, wenn „Sand im Getriebe“
ist und „der Hebel an der richtigen Stelle angesetzt“
werden soll. Nur beispielsweise.
Wie
man nichtsahnend das Opfer (s)eines Denksystems wird…
…dann
geht man praktisch sehr konsequent, sehr zielstrebig und
präzise geplant in die genau falsche Richtung –
ohne sich dessen auch nur ansatzweise bewusst zu sein. Im
Gegenteil:
Da ganz selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass
man richtig denkt („Ich bin doch nicht blöd“),
wird permanent und überall lediglich das Planen und
Handeln variiert und optimiert – mit immer neuen Konzepten,
Techniken und Methoden, jedoch allesamt basierend auf dem
selben, mittelalterlichen Denken.
Auf
diese Weise löst man seit Jahrzehnten zunehmend permanent
immer mehr Probleme, die man gar nicht haben müsste.
In sämtlichen Bereichen, in Politik, Forschung, Medizin
und Wirtschaft, bis zum ganz persönlichen Privatleben.
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