Eine
ganze Reihe von Miss- und Fehlverständnissen ist mit
dem Begriff „Evolution“ verbunden. Es wäre
schlimm genug, wenn sich das nur auf das Verständnis
der Evolution beschränken würde. Noch schlimmer
allerdings, wenn damit argumentiert wird.
Der
erste lauernde Stolperstein besteht für gewöhnlich
darin, die Evolution als Theorie der Entstehung und Entwicklung
des Lebens zu verstehen. Vielmehr jedoch handelt es sich
um den Versuch, damit die Entstehung der Arten bzw. die
Artenvielfalt zu erklären.
In die nächste Falle tappen viele Menschen dabei, die
Evolutionstheorie auf Charles Darwin als Schöpfer zurückzuführen.
Tatsächlich stammt der Begriff „Evolution”
jedoch von dem Schweizer Mediziner Albrecht von Haller (1774).
Darwin verfasste lediglich die evolutionistische Theorie
der „zufälligen Mutation und Selektion“,
die er im Jahr 1859 der Öffentlichkeit präsentierte.
Das
im Zusammenhang mit Darwin wiederum oft zitierte „Nur
der Stärkere überlebt“ stammt wiederum von
Alfred R. Wallace, der ein Jahr vor Darwin 1858 mit „Survival
Of The Fittest“ eine sehr ähnliche Theorie aufstellte.
Und dann wäre da noch das „Prinzip der Anpassung“,
mit dem die Evolution nicht selten in Verbindung gebracht
wird. Vielmehr jedoch basiert die Evolutionstheorie auf
dem „Prinzip der Verzweigung“. Wobei es gleich
mehrere Gründe dafür gibt, dass sich dennoch das
Anpassungsdenken festgesetzt hat...
„Prinzip
der Anpassung“: Das Zimmern am Holzweg
Das
Anpassungsdenken passt einfach wunderbar zum ohnehin gern
genutzten und noch immer unterschwellig angewandten Lebensprinzip
des „Nur der Stärkere überlebt”: Nur,
wer an diverse Veränderungen am besten angepasst ist,
überlebt sie auch. Heißt es.
Ein allzeit präsentes und propagiertes Motto auf sämtlichen
Ebenen des Lebens, das dafür verwendet wird, dass sich
Menschen in die angebliche „Wissens- und Informationsgesellschaft“
stürzen, dass sie (deshalb) „Wissen und Bildung“
als (überlebens-)wichtig empfinden und (deshalb) die
passenden Produkte kaufen. Zum Beispiel.
Nicht
anders, wenn sich Politiker im Wahl-Kampf(!) an die aktuelle
Stimmungslage und aktuelle Schlagzeilen anpassen, wenn sich
„Otto Normalmensch“ an „In“- und
„Out“-Listen orientiert, die ihm zum ganz privaten
und sozialen Überleben in Freundes- und Kollegenkreis
und Partnerschaft verhelfen: welche Frisur und Kleidung
„man“ dazu tragen und welcher Freizeitbeschäftigung
„man“ dazu nachgehen muss, in welches Land „man“
in Urlaub zu fahren, und was „man“ ganz generell
zu tun und zu lassen hat: Überleben durch Konsum.
Das
alles wird den Menschen von Medien und Unternehmen eingebläut,
die ihrerseits den permanenten „Überlebenskampf“
kämpfen: Wer sich nicht an die rasanten Veränderungen
unserer Zeit anpasst, hinkt hinterher, verliert den Anschluss
und hat den Kampf verloren. Das ist der Tenor des so genannten
„Change Management“ und von so genannten „Evolutionskonzepten“.
Alles das und noch einiges mehr… hängt sich an
einer völlig daneben liegenden Interpretation der Evolutionstheorie
auf und steht und fällt zur Gänze mit diesem Fehldenken
eines Anpassungsdrucks.
Holzweg
mit schwammigem Unterbau
Zum
einen ist für eine „Anpassung“ immer so
etwas wie eine vorgegebene Passform notwendig – ansonsten
könnte man eben kaum feststellen, ob etwas nun passt
oder (noch) nicht. Wer also von einem „Prinzip der
Anpassung“ spricht, bezieht sich damit zwangsläufig
auf eine „intelligente Schöpfung“, zumindest
jedoch auf eine Evolution, die auf irgendein Ziel ausgerichtet
ist. Wenn man das allerdings tut, „darf“ man
sich nicht auf Darwin beziehen, dessen Theorie nun einmal
das Zufallsprinzip beinhaltet.
Ein anderer Entwurf, der in der Tat eine zielgerichtete
Evolution annimmt, stammt aus dem Jahr 1809 von Jean-Baptiste
de Lamarck, die Zufallstheorie Darwins jedoch gilt bis heute
offenbar als plausibler.
Die
Ansicht, man hätte es mit einem „Prinzip der
Anpassung“ zu tun, führt zudem immer wieder dazu,
in der Weiterentwicklung eines Lebewesens eine Zweckgerichtetheit
zu erkennen. Demnach hätten etwa Krebse „Scheren”
und hätten Giraffen ihre überlangen Hälse
entwickelt, um… – also zu einem bestimmten Zweck,
der ihnen das Überleben durch das Anpassen an die jeweiligen
Umweltbedingungen sichern würde. Was jedoch ebenfalls
einer Zielgerichtetheit und somit kaum dem Zufallsprinzip
in Darwins Theorie entspräche.
Zum anderen gibt es da u.a. noch die Annahme, Giraffen hätten
deshalb so ungewöhnlich lange Hälse, „um”
die Baumkronen erreichen zu können, die sie beweiden.
Doch das erklärt nicht, warum Giraffen „durch
Anpassung” ausgerechnet ihre Hälse verlängerten,
und sich nicht – viel einfacher – auf das Beweiden
von Bodenpflanzen verlagerten(?).
Wenn
also tatsächlich gemeint wird, Krebse hätten im
Laufe der Evolution Scheren gebildet, um Beute fangen zu
können, hat der Mensch nach dieser Logik seinen Zeigefinger
wohl deshalb „durch Anpassung” entwickelt, um
ortsunkundigen Mitmenschen den Weg besser erklären
zu können.
Zudem
liegt dem allem – wie bestens zu erkennen sein sollte
– wieder einmal das steinalte Denken eines René
Descartes, anno 1619 zugrunde: Die ganze Welt ist nichts
weiter als eine simple Maschine. Zu erkennen an dem „Entweder-Oder“
(Entweder ein Lebewesen ist optimal angepasst und überlebt
– oder eben nicht) und am „Wenn->Dann“
(Wenn angepasst -> dann Überleben) des „Ursache->Wirkung“-Denkens
(die Umweltbedingungen bzw. Veränderungen darin als
Ursache für die darauf folgende Anpassung.
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