Angeblich
leben wir in einem „Informations- und Wissenszeitalter“.
Und weil dieser Slogan als Leitmotiv angegeben wird, beschäftigt
man sich deutlich mehr damit, ihm zu folgen, als zu hinterfragen,
was eigentlich tatsächlich dahinter steckt.
Zwischen
dem „Industriezeitalter“, das wir angeblich
mittlerweile erfolgreich hinter uns gelassen haben, und
dem „Informations- und Wissenzeitalter“, in
dem wir uns angeblich nun heute befinden, gibt es nicht
nur einen Unterschied in der Kennzeichnung zweier Epochen.
Sondern schon bereits diese Kennzeichnung anhand der jeweils
verwendeten Begriffe kann (und: sollte) genügend Anlass
sein, ein paar Blicke unter die Oberfläche zu werfen.
Ideelle
Schwerpunkt-Verlagerung zu immateriellen Werten
Das
auffälligste – wenn auch in aller Regel kaum
jemals angesprochene – Merkmal des Begriffsunterschiedes
zwischen „Industrie“ einerseits, sowie „Information“
und „Wissen“ andererseits liegt in der Verlagerung
des Schwerpunktes: weg vom Materiellen, hin zu immateriellen
Werten.
Eher
beiläufig und ganz nebenbei beinhaltet das eine Wert-Verlagerung
und neue Wert-Setzung, die einer auf Konsum ausgerichteten
und davon abhängigen Wirtschaft, sowie einer an materiellem
Besitz orientierten Gesellschaft komplett widersprechen:
Ebenso beiläufig und ganz nebenbei ist „die Wirtschaft“
(natürlich: unter anderem) dadurch zwangsläufig
auf ein Drahtseil gesprungen, auf dem sie nun versuchen
muss, zu tanzen.
Zwar
wurden natürlich materielle Güter schon immer
mitsamt diversen immateriellen Werten verknüpft (Feuermelder
zum Beispiel wurden schon immer mit dem Nutzen der Lebensrettung
verkauft, niemals mit dem puren, schnöden Zweck, ein
Feuer zu melden). Doch damit, Gebrauchsgüter, deren
Qualität und faktischen Nutzen werblich-verkäuferisch
„mit ein bisschen Emotion aufzupeppen” ist es
nicht mehr getan. Sondern zunehmend im exacten Gegenteil.
Nichtsdestotrotz
sind Information und Wissen (bzw. das, was dafür gehalten
und als solches angepriesen wird) dadurch inzwischen zu
einer immateriellen „Ware“ geworden, die schließlich
auch… verkauft werden muss. Entsprechende Verkaufskampagnen
inklusive.
Informationeller
Verkaufsschlager: „Wissen“ und „Bildung“
Das
so genannte „Informations- und Wissenszeitalter“
mit der Verbreitung von Computer, Internet und Mobilfunk
hat dazu geführt, dass „Information und Wissen“
heute an jedem Ort und zu jeder Zeit abrufbar sind: Enorme
Datenmengen lassen sich übertragen, speichern und stehen
jederzeit auf Knopfdruck zur Verfügung.
Damit ist „Wissen auf Abruf“ zum Trend und „chic“
geworden. Quiz-Shows und „Wissens“-Dokumentationen
im Fernsehen, auf CD-ROMs und im Internet, dazu forciert
durch „PISA“-Studien, sowie politische „Forschungs-
und Bildungsoffensiven” haben den Druck auf die Menschen
zu „lebenslangem Lernen“, sowie „up-to-date“
und „gebildet“ zu sein, enorm und rasant verstärkt.
Durch
das alles wird suggeriert: Wissen und Bildung sind käuflich.
Und es wird komplett verdrängt und negiert, dass es
das eben nicht ist. Sondern: Wissen und Bildung umfassen
weitaus mehr als ein simples Übernehmen irgendwelcher
Daten- und Faktenhäppchen.
Erstens
beinhaltet Wissen immer auch die eigene Erfahrung („Wissen
kann man nur, was man selbst erfahren hat. Alles andere
kann man immer nur glauben“). Zweitens beinhaltet
Bildung immer auch die Fähigkeit, einzelne Daten und
Fakten in einem größeren Zusammenhang stellen
zu können - es ist natürlich toll, Rom als Hauptstadt
von Italien zu kennen. Es wird jedoch peinlich, Italien
in Mittelamerika zu vermuten.
Feiner
Unterschied: „Information” und „Wissen“
Ein
erheblicher Stolperstein in dieser Thematik besteht also
in der Gleichsetzung eines bloßen informiert-seins
mit gebildet-sein. Die Größe dieses Stolpersteins
zu erkennen, hilft eine Anmerkung des Nobelpreisträgers
Robert B. Laughlin: „Unsere Gesellschaft schottet
Wissen in solchem Umfang, so schnell und so sorgfältig
ab wie noch keine andere Gesellschaft in der Geschichte”.
Wer
fahrlässig Information mit Bildung und Wissen gleichsetzt,
wird Laughlins Feststellung kaum verstehen: „was spricht
dieser Mann über eine beispiellose Abschottung von
Wissen...? ...im Zeitalter des Internet und totaler Information?”.
Das, was Laughlin meint, ist der Unterschied zwischen dem,
was heute permanent als „wertvolle Information(en)”
deklariert und verkauft wird, sowie tatsächlichem Wissen
andererseits, das hinter der Informations-Mauer versteckt
gehalten wird.
Es gibt
noch einige Haken mehr, wenn es um „Bildung und Wissen“-Kampagnen,
um politische „Bildungsoffensiven” und diverse
„Informations“-Angebote (TV, CD-ROMs, Internet-Portale,
etc) geht. Einer dieser weiteren zahlreichen Haken liegt
irgendwo in der allgemeinen Verschwiegenheit, welches Wissen
und welche Bildung überhaupt gemeint sind und für
wen genau beides hauptsächlich von Nutzen ist. Für
den jeweils Einzelnen nämlich weniger bis gar nicht.
|