Der
Ruf nach „härterem Durchgreifen“ und „strengeren
Gesetzen“ ertönt noch jedesmal, sobald irgendein
Aufsehen erregender Gewaltakt die Medien vorübergehend
beherrscht. Die Aussicht auf harte Strafen soll abschreckend
wirken, dient jedoch vielmehr als Beruhigungspille für
eine erfolgreich beunruhigte Bevölkerung.
Wer
sich ein wenig in der Thematik auskennt, würde sich
über populistische Abschreckungsmaßnahmen für
Straftaten amüsieren - wenn es nicht so tragisch wäre.
Jedoch: Es wird eine Gewalttat über die Medien zum
Thema gemacht, auf diese Weise die Bevölkerung beunruhigt,
worauf die Politik sich in der Not sieht, Maßnahmen
zur allgemeinen Beruhigung zu ergreifen, um „nicht
tatenlos dazustehen“. Das ist einer der üblichen
Abläufe. Das übliche Denksystem: „Mehr Abschreckung
-> weniger Straftaten“. Also: Die ganze Welt ist
eine Maschine, alles nur eine Frage der Feinjustierung.
Willkommen im 17. Jahrhundert.
Gewalt
und Aggression: Definitionsprobleme
Dabei
ist allerdings nicht wirklich zu erwarten, dass jemand,
der Amok läuft und ohnehin keinen Sinn mehr in irgendetwas
sieht, sich noch den Hauch eines Gedankens macht, welche
Strafe ihn erwarten würde. Dasselbe gilt erst recht
für so genannte „Triebtäter“ und „psychisch
Kranke“, die eben kein besonders rationales Kalkül
und keine Abwägungen anstellen, bevor sie ihre Straftaten
begehen.
Dass
in dieser Thematik grundsätzlich nur bis zur nächsten
Ecke gedacht wird, wenn es um präventive Maßnahmen
zur Gewaltverhinderung geht, zeigt bereits ein minimaler
Blick auf das, worum es hier eigentlich geht: Es geht also
einerseits um Gewalt. Der Begriff „Gewalt“ stammt
aus dem Althochdeutschen „walten“ (siehe auch:
verwalten) und bezieht sich darauf, über irgendetwas
oder irgendwen verfügen zu können.
Sowohl
das bürokratische Verwalten als auch die politische
Gewaltenteilung zeigen, dass der Begriff „Gewalt“
an sich keine negative Bedeutung hat. Das heißt im
Klartext: Es kommt auf den jeweiligen Zusammenhang an, wie
der Begriff „Gewalt“ zu verstehen ist.
Andererseits
geht es in dem Ganzen um „Aggression“. Und auch
dieser Begriff kann nur in einem Zusammenhang entstehen
und wirken; nämlich innerhalb einer Beziehung von mindestens
zwei Menschen. Weder Gewalttätigkeit noch aggressives
Verhalten sind demnach also Charaktereigenschaften eines
Menschen, sondern ent- und bestehen immer nur lediglich
innerhalb von Zusammenhängen und zwischenmenschlichen
Beziehungen.
Wenn
Abschreckung und Strafen verpuffen
Exact
deshalb ist es auch nicht besonders sinnvoll, einen Menschen
davon abschrecken zu wollen, eine Charaktereigenschaft auszuleben,
die er gar nicht hat. Oder ihn im Nachhinein dafür
zu bestrafen. Genauer: Ein Mensch ist eben nicht gewalttätig,
weil er gewalttätig sein will, und ein Mensch ist nicht
aggressiv, weil er aggressiv sein will. Deshalb wird er
Maßnahmen, die von Gewalt und Aggressivität abschrecken
sollen, nicht unbedingt auf sich selbst beziehen.
Aus
demselben Grund wird er auch eine Bestrafung lediglich allenfalls
auf die ausgeübte Tat beziehen und allenfalls erkennen,
dass er dabei wohl ganz offensichtlich einen Fehler gemacht
hat.
Er wird deshalb jedoch noch lange nicht seine grundsätzliche
Verhaltensweise überdenken. Vielleicht eher, wie er
beim nächsten Mal den gemachten Fehler vermeidet, um
nicht wieder erwischt zu werden.
Das
Ganze gilt erst recht in Fällen psychischer Gewalt,
die noch nicht einmal Kriminologen exact definieren können:
Wo beginnt psychische Gewalt? Beim Mobbing am Arbeitsplatz?
Oder beim Ärgern des Nachbarn durch stundenlanges Rasenmähen?
Oder wenn ein Ehepartner aus Verärgerung mit dem anderen
nicht mehr spricht?
Da das
alles und noch etliches mehr (siehe oben) jeweils lediglich
in Zusammenhängen stattfinden kann und demnach äußerst
relativ ist, sind auch hierbei Abschreckungsmaßnahmen
und Bestrafungen eine diffizile Angelegenheit: Diejenigen,
die den „Psychoterror“ ausüben, erkennen
ihre grundsätzliche Verhaltensweise nicht als falsch,
sondern wähnen sich in aller Regel sogar noch im Recht.
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