Immer
mal wieder bei passenden Gelegenheiten wird die Frage aufgeworfen,
welche Auswirkungen so genannte „Ego Shooter“
(„Ballerspiele“ am Computer) auf Heranwachsende
haben. Dabei werden jedoch nicht nur erwachsene Spieler
vergessen, sondern wird auch der Fernseher als prägendes
Medium ignoriert.
Im Jahr
1996 kam ein Computerspiel namens „Tomb Raider“
auf den Markt, in dem der Spieler eine weibliche Figur namens
„Lara Croft“ steuert: Eine bis an die Zähne
bewaffnete Amazone, die sich im Spiel ihre Wege freischießen
muss. Der Bekanntheitsgrad dieser virtuellen Figur beträgt
in Deutschland etwa 90 Prozent. Um die 60% der deutschen
Männer finden „Lara Croft“ attraktiver
als Topmodels wie Heidi Klum und Eva Padberg.
Als erstes Computerspiel wurde „Tomb Raider“
zur Vorlage für zwei Kinofilme (mit Angelina Jolie
in der Hauptrolle), die mittlerweile auch mehrfach im öffentlichen-rechtlichen
Fernsehen gezeigt wurden.
Fragwürdige
Maßstäbe:
Irgendwo zwischen Gewalt und Unterhaltung
Bei
jeder Diskussion über einen etwaigen Schaden, den Jugendliche
durch genau solche „Ballerspiele“ davontragen,
dürfte demnach mindestens ebenso gefragt werden, welche
Auswirkungen sich bei erwachsenen Männern zeigen, die
eine virtuelle Amazone für attraktiver halten als lebendige
Frauen – wissend um den Reißbrettcharakter.
Und
es dürfte genauso gefragt werden, wie sich der etwaige
Schaden auf Jugendliche damit verträgt, dass die entsprechenden
Kinofilme als „Kassenschlager“ gefeiert und
dazu noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt
werden, das unter anderem nicht zuletzt einen gebührenfinanzierten
„Bildungsauftrag“ hat.
Es tendiert daher an der Grenze äußerster Fragwürdigkeit,
gewaltverherrlichende „Ego Shooter“ als potenzielle
psychische Gefahr für Jugendliche verbieten zu wollen,
andererseits dieselbe Gefahr für erwachsene Menschen
zu ignorieren und auch noch zu fördern:
Angeblich
verbringen 60% der deutschen Männer ihre Freizeit vornehmlich
an der Spielkonsole, statt sich um ihre Familie zu kümmern,
Sport zu treiben, ein gutes Buch zu lesen oder sich sozial
zu engagieren. Nur beispielsweise.
Die immer wieder aufgekochte Thematik der Gefahren von „Ballerspielen“
für Heranwachsende fungiert dabei als hochwirksame
Ablenkung von den identischen Gefahren des Fernsehens, die
dabei um einiges subtiler wirken.
Vergleichsweise
deutlich gefährlicher:
Das Fernsehprogramm
Die
angeblich besonders extreme Gefährlichkeit von Computerspielen
soll darin liegen, dass der Spieler eben (inter-)aktiv das
Spiel steuert und in das programmierte Szenario eingebunden
ist. Daraus schließen Experten immer wieder gern,
dass die so „selbst“ praktizierte virtuelle
Gewalt in das reale Verhalten des spielenden Menschen übergeht.
Man
hält die Spieler also für dermaßen strohdumm,
dass sie nicht in der Lage sind, ein Spiel von der Realität
zu unterscheiden. Und das wird deshalb gemeint, weil die
Figuren und Szenarios in den Spielen immer „realistischer“
gestaltet werden.
Wer das jedoch meint, ist dringend aufgefordert, sich nicht
nur mit „sehr, sehr realitätsnah“ erscheinenden
Spielen zu beschäftigen, sondern mit der tatsächlichen
Realität, wie sie im ganz normalen Fernsehprogramm,
„sogar“ in den Nachrichtensendungen gezeigt
wird.
Gewalt
wird hierin mitunter nicht bloß verherrlicht, sondern
de facto als legitimes Mittel zur Lösung von Konflikten
präsentiert. Zum Beispiel, wenn der zwischen 2001 und
2009 „mächtigste Mann der Welt“, der Präsident
der Vereinigten Staaten von Amerika, angesichts der Terroranschläge
vom 11. September 2001 „mit gleicher Härte zurückschlagen“
will, und das von einer ganzen Menge Regierungschefs unterstützt
wird.
Zudem,
wenn erwachsene Menschen Berichterstattungen über Gewaltakte,
die irgendwo in Deutschland geschehen sind, auf ihr eigenes
Leben übertragen, obwohl sie selbst in keiner Weise
davon betroffen sind.
So fühlen sich ältere Menschen inzwischen von
Jugendlichen bedroht, weil sie „ja im Fernsehen gesehen
haben“, dass man offenbar vor Jugendlichen Angst haben
muss. Die eigene Erfahrung spielt keine Rolle gegenüber
dem, was das Fernsehen als Realität präsentiert.
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