Einzelne
Menschen können die Welt verändern. Zum Beispiel
durch Erfindungen, Kompositionen oder politische Initiative.
Einzelne Menschen können jedoch auch zerstörerisch
wirken. Je nach dem, wohin sie ihre Energien lenken. Oder
gelenkt werden.
Es gibt
Menschen, die sich „nicht im Griff“ und „nicht
unter Kontrolle“ haben, wenn sie gereizt werden. Besser:
wenn sie sich gereizt und herausgefordert fühlen. Das
ist zunehmend in Partnerschaften der Fall, im Berufsleben,
im Straßenverkehr, auf Schulhöfen, auf sämtlichen
Ebenen des Lebens.
In selteneren
Fällen läuft ein Mensch „Amok“, wie
es genannt wird. Er rastet komplett aus, dreht völlig
durch und zieht damit in der Regel eine Menge Menschen in
Mitleidenschaft. Zu mehr als 60% handelt es sich dabei um
Racheakte, doch nur zu weniger als 10% sind Amokläufer
„psychisch erkrankt“.
Gewaltige
Reaktionen ohne bestimmte Ursache
In aller
Regel schließt das eine das andere aus: Ein Mensch,
der bei jeder kleinsten Gelegenheit ausrastet, wird nicht
zum Amokläufer, während ein Amokläufer eher
durch seine Unauffälligkeit auffällt und quasi
als „tickende Zeitbombe“ durch die Gegend läuft.
Wobei
die Begriffe „Ausrasten“ und „Durchdrehen“
auf eine gewisse mechanistische Sichtweise hindeuten: Wer
„ausrastet“, müsste demnach zuvor „eingerastet“
gewesen sein, was eine ziemlich absurde Vorstellung ist.
Das „Durchdrehen“ wiederum geht auf die Erfindung
der Dampfmaschine zurück, bei der damals kein Ingenieur
sagen konnte, was passieren würde, wenn man einer Dampfmaschine
einen Regler einbaut. Man hielt so ziemlich alles für
möglich: dass eine solche Maschine immer langsamer
werden würde, bis sie stillsteht. Oder eben durchdrehen
würde, bis sie explodiert.
Erst
ein gewisser James Clerk Maxwell fand im Jahr 1868 die Lösung
für dieses Problem: Die Ingenieure hatten in ihren
Überlegungen den Zeit-Aspekt vernachlässigt, der
sich auf die Belastung auswirkt. Da Menschen keine Maschinen
sind und sich nicht wie Maschinen verhalten, ist ihr „Ausrasten“
und „Durchdrehen“ eben auch nicht berechenbar
und mit keiner Formel kalkulierbar. Auf Grund welcher Reize
genau ein Mensch ausrastet und auf Grund welcher Einflüsse
genau ein Mensch zum Amokläufer wird: allesamt unklar.
Die
„Reiz-Summen-Regel“: Eine Frage der Relativität
Eben
deshalb lohnt es sich auch, den Blick von der Mechanik abzuwenden
und sich mit der Biologie zu beschäftigen. Zum Beispiel
mit der „Reiz-Summen-Regel“, nach der eine Handlung
nicht sofort auf einen einzigen bestimmten Reiz erfolgt,
sondern erst dann, wenn die Anhäufung vieler Reize
einen Schwellwert übersteigt.
Wobei dieser Schwellwert von Mensch zu Mensch verschieden
ist, höher oder niedriger liegen kann, je nach Sensibilität.
Eine Frage dessen, was mitunter als „Temperament“
bezeichnet wird.
Auch
hierbei ist weder festgelegt, wie viele und welche Reize
das im jeweiligen Einzelfall sind, noch welche Reaktion
und Handlung dann genau ausgelöst wird.
Denn es gibt da noch das Phänomen der „Übersprungshandlung“,
wonach beispielsweise ein Huhn, das einem anderen Huhn im
Kampf gegenüber steht, plötzlich ziemlich sinnlos
beginnt, nach Körnern zu picken. So etwas passiert,
wenn zwei Handlungsvarianten (hier: kämpfen oder flüchten)
etwa gleich stark dominieren.
Das lässt bei Cholerikern, die bei jedem kleinsten
Anlass ausrasten, den Schluss zu, dass ihr Reaktions-Schwellwert
sehr niedrig liegt, und/oder ganz generell permanent randvoll
mit etlichen Reizen herumlaufen, die sie nicht abbauen (können)
und ansonsten verdrängen und unterdrücken.
Was
den einzelnen Menschen selbst betrifft, kann es helfen,
sich der „Reiz-Summen-Regel“ bewusst zu sein,
um einerseits für einen regelmäßigen Stressabbau
zu sorgen, und andererseits die Aufmerksamkeit dafür
zu schärfen, wann man sich womöglich seinem persönlichen,
kritischen Schwellwert nähert. |