Rein
statistisch besitzt jeder Deutsche exact 1,3 Kundenkarten,
rund 90% der Deutschen besitzen mindestens eine, doch nur
30% nutzen sie regelmäßig, während 50% nicht
die geringste Ahnung haben, welche Leistungen überhaupt
mit der Karte verbunden sind. Nicht per Statistik zu erfassen
ist jedoch eine einzige Information darüber, was das
alles eigentlich soll?
In George
Orwells Roman „1984“ war es die „Gedankenpolizei“
und in der DDR die „Staatssicherheit“, die einigen
Aufwand betrieben, um möglichst viele Informationen
über die Menschen zu sammeln und sie so weit wie möglich
auszuspionieren. Die heutige Realität hat damit nicht
besonders viel zu tun. Vor allem deshalb nicht, weil man
– viel cleverer – die Menschen einfach dazu
gebracht hat, alle möglichen Informationen selbst abzuliefern.
Die Mittel dazu u.a., neben Internet-„Communities”:
Rabatt- und Kundenkarten.
Seltsame
Prioritätensetzung mit fragwürdiger Relevanz
Wer
für ein paar Tausend Euro eingekauft und bei jeder
Zahlung mittels Bonuskarte irgendwelche virtuellen Punkte
angesammelt hat, bekommt zur Belohnung eine Sporttasche
oder einen mittelqualitativen DVD-Player geschenkt. „Prämie“
nennt sich das.
Kartenbesitzer,
die von solchen Bonusprogrammen überzeugt sind, neigen
gern zum „immerhin“ und „besser als gar
nichts“. Man erfreut sich an Kleinigkeiten und ist
sich nicht im geringsten bewusst, welch immensen Gegenwert
im Milliarden-Euro-Bereich das Ganze für die Datensammler
hinter den Karten hat.
Denn einzig und allein darum geht es natürlich: Um
die Daten des Kunden. Es geht um Informationen, die das
Kaufverhalten offenbaren und das Umsatzpotenzial, das der
Kunde dem Unternehmen bietet – zum Beispiel, indem
man ihn Dank seiner Datenüberlassung „noch gezielter”
mit Werbung überschütten kann.
Und
das beginnt bereits bei der Beantragung solcher Karten:
Laut Verbaucherschutz-Bundesverband werden hier immer deutlich
mehr Informationen erfragt als für das Bonusprogramm
nötig wären. „Die Unerfahrenheit der Verbraucher
in Sachen Datenschutz wird von einigen Firmen schamlos ausgenutzt",
so Prof. Dr. Edda Müller, aus dem Vorstand des Bundesverbandes.
Vom
Augenblick der Unterschrift an liefert der Kartenbesitzer
etliche Informationen frei Haus an Unternehmen, die er ansonsten
nicht einmal besten Freunden verraten würde. Zum Beispiel,
dass die neue Wohnzimmerlampe aus einem Sonderangebot bei
Aldi stammt. Und überhaupt, was er wann und wo zu welchem
Preis und zu welchem Rabatt mit welcher Zahlungsweise gekauft
hat. Abgelieferte Information mit der Gegenleistung von
ein paar virtuellen Punkten auf einem imaginären Punktekonto.
Kaum
jemandem ist bewusst und will auch nicht wirklich wissen,
was Unternehmen mit diesen Daten so alles anfangen. Erst
recht: in Verbindung mit einigen anderen Informationen aus
einem bunten Mix öffentlicher Statistiken, angereichert
mit Daten, die von Adresshändlern bezogen werden. So
kann es bei einer Bestellung in einem Internetshop passieren,
dass jemand als Zahlungsweise „Vorkasse“ präsentiert
bekommt, weil er beim Eintippen seiner Anschrift eine Postleitzahl
angegeben hat, die auf einen „sozialkritischen“
Stadtteil hinweist.
Während ein Bewohner derselben Stadt, jedoch in einem
„besseren“ Vorort wohnend, beim selben Bestellvorgang
im selben Internetshop durchaus auch auf Rechnung zahlen
darf.
Dasselbe
findet übrigens auch im Prüfverfahren bei Kreditanträgen
statt – wobei sich nicht jeder im Klaren darüber
ist, dass auch ein Kauf per Drei-Monats-Abstotterung einem
Kredit entspricht. Eine solche automatisierte Bewertung
von Kunden mittels eines so genannten „Scoring“-Systems
ist zwar per Datenschutzgesetz verboten, doch das will erst
einmal angeklagt und nachgewiesen sein.
Das
Ganze ist natürlich überhaupt erst durch die Computerisierung
des Alltags und der datentechnischen Vernetzung möglich
geworden, wie auch die Idee und Realisierung von Bonus-,
Rabatt- und Kundenkarten erst dadurch entstanden ist.
Doch dass ein solches System funktionieren kann, dafür
sorgen Menschen, die den tatsächlichen Wert ihrer Daten
völlig unterschätzen: Weil man Informationen nicht
verlieren kann, weil sie einem nicht weggenommen werden
können, empfinden sie deren Weitergabe nicht als Verlust.
Und so müssen Unternehmen nur noch eine Prämie
als Gewinn versprechen, damit der Kunde (s)einen Vorteil
sieht. |