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Gläsern und zerbrechlich:
Verchipt, verraten und verkauft.

©Cerny
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Wahre Unsummen investieren Unternehmen in das so genannte „Data-Mining“: das „Datenschürfen“. In der Hoffnung, je mehr Informationen man über den Kunden und sein Kaufverhalten sammelt, desto „besser zielbar“ die Werbung und desto mehr Einblick in das individuelle Umsatzpotenzial. In Zukunft mittels „RFID“-Chip.

Das eigene Privatleben gilt als „heilig“. So ziemlich jeder Mensch ist der Ansicht, dass es keinem etwas angeht, wie man sein Leben führt, geschweige denn: was man sich leisten kann, wofür genau man sein Geld ausgibt und was man im Sonderangebot gekauft hat.
Im „Zeitalter der totalen Information” jedoch wird es immer schwieriger, diese wesentlichen Teile seines heiligen Privatlebens für sich zu behalten. Vor allem dann, wenn man alle möglichen Informationen preisgibt, ohne es zu ahnen; und preisgeben muss, weil die Technologie kein Entkommen ermöglicht.

So, wie es mit dem „RFID“-Chip („Radio Frequency Identification“) bereits seit Jahren getestet wird: im „Future Store“ der Metro Gruppe im nordrhein-westfälischen Rheinberg. Unter dem Motto „Die Zukunft des Handels erleben“ hat man dort ein ganzes Laboratorium für praktische Versuche am Kunden errichtet, in Form eines Test-Supermarktes, um (u.v.a.) auch den „RFID“-Chip auf Praxistauglichkeit zu prüfen und zu optimieren – ganz harmlos bezeichnet als „Future Store Initiative“.

Der Funk-Chip: Als „Service“ verpackte Spionage

Der hochmoderne Wolf im Schafspelz übermittelt Informationen über simple Radiowellen, wie annodazumal per elektromagnetischer Induktionsspulen. In der Größe eines Reiskorns lässt sich ein „RFID“-Chip problemlos in Lebewesen implantieren oder eben auch auf Produkten anbringen.
Das viel Besonderere daran jedoch ist, dass gegenüber der noch verbreiteten Barcode-Technologie zum Auslesen der gespeicherten Informationen keinerlei Berührungskontakt mit einem Scanner stattfinden muss. Denn der Chip funkt. Und zwar permanent.

Vornehmlich werden natürlich die enormen Vorteile dieser Innovation gepriesen: Der Funk-Chip ermöglicht etwa, den Aufenthaltsort oder Lagerplatz einer Ware exact zu ermitteln. So lässt sich die gesamte logistische Kette eines Produktes optimieren, wie auch Lagerräume effizienter genutzt und Arbeitszeit gespart werden kann. In Verbindung mit der Datenbank des Warenwirtschaftssystems lassen sich je nach Lagerbestand auf diese Weise die Nachbestellungen automatisieren, ohne dass auch nur ein einziger Mensch irgendetwas tun müsste. Eine tolle Sache also.

Doch damit nicht genug: Laut Metro-Gruppe ist mit „RFID“-Technik „eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten denkbar, um Kunden mit ausführlichen Produktinformationen und zusätzlichen Angeboten noch mehr Service zu bieten“. Auf Deutsch also: Noch mehr Werbung, als „noch mehr Service” deklariert.

Unbestreitbar ist dagegen der Bequemlichkeitsaspekt für den Konsumenten durch die vollständige Kassenautomatisierung: Der Einkaufswagen wird in der Kassenzone nur noch an Lesegeräten vorbeigeschoben, dadurch die Ware „getaggt“, wie das Auslesen der Funk-Chips genannt wird, und der Endpreis wird automatisch der Kreditkarte belastet oder vom Konto abgebucht.
Quasi: „Bezahlen im Vorbeigehen“. Kein zeitraubendes Auspacken des Einkaufswagens, keine Förderbänder, keine Warteschlangen an den Kassen mehr. Wenn das nicht echter, neuer „Service“ ist.

Unbequeme Folgen des Bequemlichkeits-Versprechens

Erfahrungsgemäß lassen sich Menschen von solchen Bequemlichkeiten derart begeistern, dass sie glatt vergessen, sich zwei bis drei Gedanken darüber zu machen. Andererseits: es würde auch nichts helfen, denn diese Innovation wird flächendeckend eingeführt und zur neuen Normalität in den Supermärkten werden. So oder so.

Was hierbei wahlweise verharmlost oder verschwiegen wird, ist zunächst einmal die komplette Überflüssigkeit jeglicher Kassiererin in den Supermärkten. Es genügen ein oder zwei „Service“-Kontrolleure, die darauf aufpassen, dass kein Kunde seinen Einkaufswagen an den Lesegeräten vorbeimogelt.
Wie viele -zigtausend Arbeitsplätze hierdurch verloren gehen werden ist bislang ebenso wenig bekannt, wie die Frage, ob die Politik für diese Entlassungswelle schon irgendein Konzept vorbereitet hat. Jedoch: wohl eher nicht.

Dazu wiederum gesellt sich eine Datenverknüpfung zwischen der detaillierten Einkaufsliste einerseits, die jeder Kunde bei jedem Einkauf in Zukunft hinterlassen wird, sowie den rund 100 Millionen Kunden- und Rabattkarten andererseits, die zurzeit im Umlauf sind.
Hierbei spielt eine gehörige Rolle, dass jeder einzelne „RFID“-Chip eine weltweit einmalige Nummer besitzt, die im so genannten „Object Name System“ (ONS) abgelegt wird. Und das heißt: Jedes Pfund Kaffee lässt sich detailliert zuordnen. Wann und wo zu welchem Preis gekauft, zusammen mit welchen anderen Waren, und eben… von wem!
So lässt sich nicht nur lückenlos feststellen, wo jemand seinen Kaffee kauft, sondern auch wie oft – woraus sich schließen lässt, wie viele Tassen Kaffee jemand täglich trinkt. Auf diese Weise lässt sich die komplette Lebensführung eines Menschen nachvollziehen. Und zwar eben auch: personalisiert mit Name, Alter, Anschrift, etc.

Diese Datenverknüpfung bietet nicht nur den Handelskonzernen und deren Marketing- und Werbeabteilungen völlig neue Möglichkeiten. Wer etwa eine Urlaubsreise gebucht hat, bekommt wie von Zauberhand eine Unmenge passender Reiseutensilien und von der Apotheke Dragees gegen Reiseübelkeit angeboten, sowie Post von einem „Homesitting“-Service, der sich während des Urlaubs um Haus und Hund kümmern will. Nur beispielsweise.

Auch das kann man natürlich durchaus als neue Dimension von Service und Bequemlichkeit betrachten. Wären da nur nicht die paar kleinen Haken.

Was zum Beispiel, wenn ein auf diese Weise entstandenes Datenprofil dem Arbeitgeber oder Versicherungen in die Hände kommt? Also Dritten, die sich für die Lebensweise des Einzelnen brennend interessieren, um daraus ihre Schlüsse zu ziehen.
Was zum Beispiel, wenn Krankenversicherungen Zugriff auf die Daten von (z.B.) Lebensmitteleinkäufen haben, auf „ungesunde Lebensführung“ schließen und den persönlichen Beitragssatz erhöhen?
Was, wenn kriminelle Dritte auf die Daten zugreifen, die auf dem persönlichen Funk-Chip gespeichert sind? Denn: Da jeder „RFID“-Chip permanent sendet, kann auch jedes unbefugte Lesegerät im Umkreis von 10 Metern die ausgesendeten Daten empfangen. Und was, wenn die Daten des Kaufverhaltens und der Lebensgewohnheiten mit den Daten zusammengebracht werden, die die Funk-Chips von Gesundheitskarte und Reisepass aussenden
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