Erwünscht
ist, dass idealerweise jeder Bürger als „nützliches
Mitglied der Gesellschaft“ fungiert. Ein Idealbild,
das als „Normalität“ propagiert wird und
daher auch als solche gilt. Je mehr Menschen aus dem Rahmen
dieses Idealbildes fallen, desto weniger funktioniert dieses
System und erweist sich das Ideal- vielmehr als Trugbild.
Die
„Normalität“ gilt als unterschwelliger
Maßstab und als Richtlinie für das Denken und
Verhalten der Menschen in dieser Gesellschaft. Und das gilt
zwangsläufig auch für die, die dem Trend der „gelebten
Individualität“ fröhnen und „anders
sein“ wollen. Ebenso gilt es für so genannte
„Querdenker“, deren Denken auch nur anhand des
Maßstabes des „Normaldenkens“ überhaupt
„quer stehen“ und „in die Quere kommen“
kann.
Die
offen(-)sichtlichen Auswirkungen des Ganzen zeigen sich
in erser Linie im Bereich der Lebensweise und -gestaltung.
Wer – aus welchen Gründen auch immer –
etwas anders lebt, sich etwas anders gibt und kleidet, ist
eben „nicht normal“, vornehmlich allerdings
im negativen Sinne.
Spätestens hinter den Haus- und Wohnungstüren
relativiert sich das, was als „die Normalität“
gilt, jedoch enorm. Nämlich eben dort, wo man nicht
als „nützliches Mitglied der Gesellschaft”
fungieren muss, und sich ausgiebig seinem Lebensstil widmen
kann. Oder eben auch nicht…
Der
Anschein von Normalität und was sich dahinter verbirgt
Der
erste Knackpunkt am Anschein einer „Normalität”
liegt irgendwo dort, wo Menschen, die sich im allgemeinen
Sinne durchaus normal verhalten und ein normales Leben führen,
mittelschwere bis hochgradige psychische Probleme (z.B.)
durch ihre Arbeit bekommen.
Stress, Druck, Überforderung, nicht selten auch Unterforderung,
sowie Mobbing (etc, etc, etc) führen nicht nur bei
den Betroffenen zu enormer psychischer Belastung, sondern
sie tragen diese Belastung nach Feierabend gleich noch mit
nach Hause in ihre Familien.
Das
wiederum endet zuweilen in einem dauernden Partnerschaftskonflikt,
der nicht einmal offen ausgestritten werden muss, dennoch
zu gemeinsam gelebter Unzufriedenheit, oftmals tatsächlich
zur Gewalt und letztlich zur Trennung führt.
Das wiederum kann hin und wieder den psychischen Kollaps
eines Betroffenen so weit komplettieren, dass er zunächst
seinen Job verliert, anschließend im finanziellen
Ruin und auf der Straße landet, und fortan unter den
rund 800.000 Obdachlosen in Deutschland lebt. Auch das ist
eine Erscheinung der „Normalität“ hierzulande.
Ebenso, wie die knapp 11.000 Menschen, die jährlich
Selbstmord begehen, weil sie keinen Ausweg aus ihren Problemen
sehen – also 30 Menschen pro Tag, mindestens ein Jugendlicher:
„Normalität“.
„Normalität“:
Eine kranke Gesellschaft
Waren
das eigentlich bereits mehr als genügend Aspekte, um
das Trugbild irgendeiner Normalität erkennen zu können,
gibt es davon allerdings noch ein paar Millionen mehr. Und
zwar nämlich zusammengesetzt aus den Menschen, die
die unangenehmen Folgen ihrer „ganz normalen“
Alltagsprobleme durch irgendetwas noch Problematischeres
zu lindern versuchen:
In Deutschland
sind etwa 2,5 Millionen Menschen alkoholsüchtig, weitere
circa 9,3 Millionen stehen „an der Schwelle zur Sucht“
(was diese Menschen in aller Regel vehement bestreiten),
mehr als 1,5 Millionen leiden unter Zwangsneurosen (z.B.
Kaufsucht, zwanghaftes Händewaschen, Putzen und/oder
Sortieren), circa 300.000 Menschen leiden unter dem „Chronischen
Erschöpfungssyndrom“, mehr als 1,3 Millionen
Menschen sind medikamentenabhängig, 3,7 Millionen sind
magersüchtig, 150.000 sind spielsüchtig, weitere
circa 6,2 Millionen stehen „an der Schwelle zur Spielsucht“
und 1,5 Millionen Menschen sind internetsüchtig. Und
das: nur beispielsweise. Zudem: alles das mit steigender
Tendenz.
Insgesamt kann man davon ausgehen, dass (auch bei der Berücksichtigung
von Überlappungen) etwa 20 Millionen Deutsche „nicht
ganz normal“ sind. Das ist: jeder Vierte(!), der irgendein
psychisches Problem mit sich herumträgt, ohne dass
das groß auffallen müsste.
„Die
Normalität“… das ist eine kranke Gesellschaft,
vornehmlich hinter verschlossenen Türen und vergleichsweise
unauffällig. Wobei für irgendwelche Probleme naturgemäß
niemals eine bestimmte Ursache zu finden ist, die Menschen
in Probleme bringt, in Gewalt, in eine Sucht oder in den
Selbstmord treibt.
Es handelt sich immer um Gegen- und Wechselwirkungen vieler
unterschiedlicher Einflüsse, die sich aufschaukeln
und in einem Domino-Effekt prekäre Folgen haben.
Vor allem dann, wenn – wie es die Regel ist –
Menschen auf solche Einflüsse und Lebenskrisen nicht
im Geringsten psychisch vorbereitet sind, und daher nicht
wissen, wie sie mit ihrer Belastung umgehen sollen. Derartiges
wird an Schulen nur selten bis gar nicht gelehrt.
Ebenfalls
„ganz normal“: Jede Menge Geldprobleme
Zu solchen
Einflüssen gehört zweifellos auch, wenn Menschen
in eine wirtschaftliche Krise bis hin zur finanziellen,
existenziellen Not geraten: In Deutschland ist jeder zehnte
Erwachsene finanziell am Ende. Mehr als 7 Millionen Menschen
können ihre Schulden nicht mehr tilgen und stehen vor
dem Ruin. Rund 30% der Deutschen haben keinerlei Vermögen,
rund 50% davon haben noch nicht einmal irgendwelche Ersparnisse
und somit im Fall der Fälle keinen einzigen Cent übrig.
Mehr
noch: Rund 500.000 Menschen sind trotz Vollzeitjob auf staatliche
Unterstützung angewiesen, weil ihr Gehalt nicht ausreicht,
um die nackte Existenz zu finanzieren. Auch das relativiert
„die Normalität“ enorm. Ein sorgenfreies,
unbeschwertes Leben in Zufriedenheit sieht jedenfalls anders
aus.
„Die Normalität“… sind akute oder
potenzielle finanzielle Probleme, die sich zwangsläufig
auf das psychischen Befinden der Menschen auswirken; auf
den einen mehr, auf den anderen weniger.
Erschwerend
hinzu kommt die durchaus berechtigte Zukunftsangst der Betroffenen,
die zu einem guten Teil völlig unverschuldet in ihre
Finanznot geraten sind. Denn: In Deutschland herrscht auf
Grund der „Normalität“ der „SchuFa“-Datensätze
eine Kultur, die diesen Menschen kaum eine Chance ermöglicht,
wirtschaftlich wieder Boden unter die Füße zu
bekommen. Einmal in Not geraten, bleibt das auch so. Dafür
zumindest ist... gesorgt.
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