Das
Marketing definiert sich selbst sehr trickig als unverzichtbare
Notwendigkeit des Unternehmertums. Es erfordert ein paar
Blicke hinter die schillernde Kulisse, um zu erkennen, warum
es das nicht ist. Oder besser: nicht mehr sein sollte. Eine
der Stolperfallen: Die klammheimliche Verlagerung der Konzentration
vom Bedarf zum „Bedürfnis“.
Das
gesamte Wohl und Wehe, nicht nur der Wirtschaft, sondern
von uns allen, inklusive unser aller Zukunft, ist angeblich
vom Konsum abhängig. Also: vom herrschenden Bedarf
an Gütern, Waren, Produkten, Dienstleistungen. Umso
mehr, wenn eigentlich jeder Bedarf voll befriedigt ist und/oder
„der Konjunkturmotor stottert“.
Weshalb
man sich einig ist: „Der Konsum muss angekurbelt werden“,
damit „die Konjunktur floriert“ und „es
uns allen gut geht“. Man braucht einen herrschenden
Bedarf. Welchen auch immer. Zur Not muss er eben „geweckt“
werden. Wie auch immer.
Gerade
in einer Konsum- und Überflussgesellschaft meint man
deshalb, einen Bedarf (welchen auch immer) künstlich
erzeugen zu müssen, indem man die Menschen irgendwie
dazu bringt, etwas zu kaufen, das sie nicht wirklich brauchen.
Beziehungsweise: Etwas zu kaufen, was sie schon besitzen,
indem man ihnen beibringt, dass „doppelt genäht
besser hält“. Weshalb ein Auto (Computer, Mobiltelefon,
Fernseher, etc.) gut ist, doch zwei oder drei davon aus
irgendwelchen Gründen viel besser sind.
Trickige
Verlagerung angeblicher Motivationen
Diese
Suche nach solchen „irgendwelchen Gründen“
bestimmt inzwischen das Marketing. So hat man (unter anderem)
den Bedarf kurzerhand und ziemlich trickig zu „Bedürfnissen“
erklärt.
Nämlich genau der Trick, weshalb man heute kein Auto
kauft, weil man es benötigen würde und somit einen
Bedarf hätte, sondern um „sicherer“ und
„bequemer“ von A nach B zu kommen, und ganz
nebenbei auch den Nachbarn neidisch zu machen - was schließlich
die insgeheimen (psychologischen) Bedürfnisse beim
Kauf seien.
Es hat
also im Marketing eine Verlagerung der Zielpeilung stattgefunden:
Es geht schon lange nicht mehr darum, das Angebot optimal
zu produzieren und zu präsentieren, sondern vornehmlich
darum, die psychologischen, intellektuellen und informationellen
Schwächen und Defizite der Menschen auszunutzen.
Warum? Weil man im Marketing das grundsätzliche Problem
hat, ein Problem zu benötigen – nämlich:
irgendein Problem, für das man die passende Lösung
anbieten kann.
Wenn
die Menschen also rein materiell keine Probleme haben, weil
es alles in sämtlichen Formen und Farben im Überfluss
zu kaufen gibt, dann brauchen sie auch keine Lösung,
kein Produkt und sind rundum glücklich. Gift für
die Nachfrage, für den Konsum. Deshalb redet man den
Menschen ein anderes Problem ein, das emotionaler, psychologischer
und/oder informationeller Art ist – und das sich rein
zufällig durch einen Kauf und einen Konsum lösen
lässt. Die Methode der so genannten „malignen
Emotion“.
Gut
festhalten und Augen zu:
Ritt auf der „Heiligen Kuh”
Diese
ganze Entwicklung kurz gefasst: Früher verkaufte man
problemlos was man anzubieten hatte. Heute muss man anbieten,
was sich überhaupt noch verkaufen lässt: Am Tropf
des Konsums und des Bedarfs.
Wie
Gerd Gerken (u.a.: „Abschied vom Marketing“)
feststellt, bedient sich das Marketing dabei eines semantischen
Tricks, damit es als „Heilige Kuh“ des Unternehmertums
und damit quasi als unverzichtbare Management-Notwendigkeit
betrachtet wird:
Laut kursierender Definitionen nämlich ist „Marketing“
irgend so etwas wie „die marktorientierte Verwirklichung
von Unternehmenszielen“ bzw. die „gesamte Ausrichtung
eines Unternehmens am Markt“, also quasi „alles,
was man tut“.
Der semantische Trick (also das trickige Umdeuten des inhaltlichen
Sinns eines Begriffes) besteht in der unterschwelligen Gleichsetzung
von „Markt“ und „Bedarf“, als sei
beides ein- und dasselbe.
Anders
formuliert: Das Marketing suggeriert, als könne man
überhaupt nicht anders unternehmerisch aktiv sein,
und als könne man überhaupt nicht anders kommunizieren
und verkaufen, als mittels Marketing „Bedarf zu wecken“
und/oder dabei auf „Bedürfnisse abzuzielen“.
Es wird
suggeriert, als sei Marketing nun einmal „das, was
getan werden muss”, wenn man ein Unternehmen führt
und überhaupt „am Markt bestehen“ zu können,
und erklärt das Marketing damit als unverzichtbar;
ähnlich einem Naturgesetz, und als wäre sonst
nichts denkbar.
Mehr noch: Das Marketing suggeriert zudem, als spiele das
Angebot selbst nur eine untergeordnete Rolle. Demnach lässt
sich auch ein völlig nutz- und sinnloses und überflüssiges
Produkt verkaufen – man muss es nur „clever
genug“ vermarkten.
Macht-Versprechen
als letzte Rechtfertigung
Dass
das Marketing (noch) so wahrgenommen wird und auch die rund
60% aller Unternehmer und Manager (noch) per Marketing vorgehen,
die es schon längst am Ende aller Möglichkeiten
sehen, liegt vor allem an dem unterschwelligen Macht-Versprechen:
Seit dem die Macht der Fabrikation, der Produktion, des
Angebotes und des Anbieters inzwischen der Überflussgesellschaft
und der grenzenlosen Auswahl zum Opfer fiel, drehte man
im Marketing einfach den Spieß sehr trickig um.
Das Versprechen, der Anbieter könne seine Macht behalten,
indem er ersatzweise eben die Menschen „gezielt(er)
anspricht“ und ihnen mittels eines „cleveren
Mix“ von Mitteln, Maßnahmen und Methoden irgendwie
einredet, warum sie A und nicht B bzw. überhaupt etwas
kaufen sollen.
Die
herrschende Unwirksamkeit von zwischen 98% und 99% aller
Maßnahmen der Marketing-Kommunikation jedoch zeigt
eindrücklich das eklatante Versagen dieses Vorgehens.
Und der Blick in die Entwicklung des Marketing kann auch
dem Laien helfen zu erkennen, warum das ganz zwangsläufig
der Fall ist:
Aus
einem Vorgehen, das früher einmal daraus bestand, Waren
und Güter rein organisatorisch zu verteilen, mutierte
heimlich still und leise ein Vorgehen, das auch etwas völlig
anderes als Warenverteilung leisten können soll –
nämlich eben: angeblich die Kommunikation mit Menschen
zu optimieren. Als könne man den Zuspruch von Menschen
exact genauso methodisch kalkulieren und optimieren wie
die Produktion von Konservendosen.
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