Während
das Rauchen mit wachsendem Erfolg an breiter Front bekämpft
wird, sieht es mit dem Genuss von Alkohol (noch) ein wenig
anders aus. Im wörtlichen Sinne wird hier mit einer
anderen Maß gemessen, die mit Gesundheitsschutz nicht
viel zu tun hat.
Der
Qualm von verbranntem Tabak wird - natürlich in erster
Linie von erklärten Nichtrauchern - als störend
und lästig empfunden. Demgegenüber wirkt es deutlich
weniger störend und lästig, wenn jemand am Nebentisch
im Restaurant ein Bier oder Glas Wein trinkt.
Das
Rauchen wurde sehr erfolgreich als allgemeingefährlich
deklariert. Demnach sei das „Mitrauchen“ –
also: das Einatmen von verbranntem Tabak in der Umgebungsluft
– angeblich stark gesundheitsheitsgefährdend
bis tödlich. Kurz: Wer sich in der Nähe von Rauchern
aufhält, schwebt in potenzieller Lebensgefahr. Wer
sich dagegen in der Nähe von Alkoholikern aufhält,
fühlt sich allenfalls durch Gegröhle und Gelalle
gestört.
Mit
zweierlei Maß: Verdrängte Kollateralschäden
Die
Einseitigkeit der Betrachtungsweise ist dabei erstaunlich
auffällig paradox: Auf Zigarettenschachteln prangen
unübersehbare Warnhinweise vor allen möglichen
Gesundheitsgefahren; auf Flaschen, die Alkohol enthalten,
dagegen nicht. Tabakwerbung ist inzwischen strikt verboten,
fast jede Sport(!)-Übertragung im Fernsehen wird dagegen
von einer Brauerei „präsentiert“. Zum Beispiel.
Noch
sehr viel erstaunlicher: Während Alkoholismus mittlerweile
als Krankheit gilt und dazu weitgehend als solche akzeptiert
ist, wird nicht der Hauch eines Gedankens verschwendet,
auch Nikotinsüchtige als krank zu betrachten.
Wer
sich in dieser Thematik und Diskrepanz darauf beruft, dass
Liebhaber von Alkohol im Gegensatz zu Rauchern allenfalls
sich selbst schaden, jedoch nicht ihre Umwelt und Mitmenschen,
irrt sich ein klein wenig:
•
Alkoholkonsum ist bei 25% aller Arbeitsunfälle mit
im Spiel, inklusive Unfällen auf dem Arbeitsweg, also
im Straßenverkehr.
• Etwa 11% der Angestellten konsumieren täglich
oder „fast täglich“ Alkohol an ihrem Arbeitsplatz.
• Ein alkoholabhängiger Mitarbeiter fehlt zwischen
40% und 60% seiner Arbeitszeit, fehlt im Durchschnitt 118
Tage lang, bevor er in eine Therapie geht, und bringt lediglich
75% der Arbeitsleistung. Dazu kommen Auswirkungen auf das
äußere Erscheinungsbild, sowie Stimmungsschwankungen,
die gehörigen Einfluss haben, sich jedoch kaum in Prozentzahlen
ausdrücken lassen.
• Circa 1.000 Menschen kommen jedes Jahr bei einem
Verkehrsunfall um ihr Leben, bei dem Alkohol mit im Spiel
war. Jeder 7. Verkehrstote geht damit auf das Konto von
Alkoholgenuss. Etwa 70.000 Unfälle passieren alleine
dadurch, dass irgendein Beteiligter unter Alkoholeinfluss
stand.
• Rund 200.000 Kraftfahrer werden jährlich erwischt,
wenn sie alkoholisiert am Steuer sitzen – was nach
Schätzungen nur jeder 500. ist.
• Eine gesundheitsschädigende Menge Alkohol trinken
täglich 7% der Frauen und 13% der Männer, suchtgefährdet
sind zwischen 25% und 40% beider Geschlechter, definitiv
alkoholsüchtig sind 5%.
• In psychiatrischen Kliniken handelt es sich bei
40% bis 50% der Patienten um Alkoholsüchtige.
• Jährlich werden mehr als 2.000 Kinder mit foetalem
Alkoholsyndrom (alkoholbedingte Missbildungen) geboren.
• Im Jahr 2010 wurden mehr als 26.000 Minderjährige
teils bewusstlos betrunken ins Krankenhaus gebracht - so
viele wie nie zuvor. Die Zahl entspricht gegenüber
dem Jahr 2000 einer Zunahme von rund 150 Prozent: Das so
genannte „Komasaufen”.
Wer
bislang der Meinung war, dass der Genuss von Alkohol nur
die Trinkenden selbst, aber sonst niemanden großartig
gefährdet, kann anhand dieser Zahlen seine bisherige
Ansicht überdenken.
Ergänzung: Meldung im „Tagesspiegel” am
12.03.2008
„Werbeverbot
für Alkohol: Erst ausgequalmt dann ausgetrunken?
Die
Alkoholindustrie ist besorgt - nach dem Tabakwerbeverbot
soll es nun auch eine Regulierung der Alkoholwerbung durch
Werbeverbote und eine Einschränkung des Sponsorings
durch Bier- und Spirituosenmarken geben. Manfred Parteina,
Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der
Deutschen Werbewirtschaft (ZAW), beruft sich dabei auf das
"Strategiepapier für ein nationales Aktionsprogramm
zur Alkoholprävention" des Drogen- und Suchtrates
der Bundesregierung.
Für
die Werbewirtschaft würde es das Einbrechen eines Millionengeschäfts
bedeuten - 2007 belief sich der Umsatz bei Alkoholwerbung
auf 557 Millionen Euro.
Nach allen Befürchtungen der ZAW gab es jetzt zunächst
direkt von der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten
Sabine Bätzing Entwarnung - so soll es sich beim Strategiepapier
nur um ein internes Arbeitspapier handeln, die Regierung
verlässt sich vielmehr auf die Selbstregulierung der
Unternehmen, damit insbesondere Kinder und Jugendliche nicht
zum Ziel für Alkoholwerbung werden”
Aktueller
Stand: kein Werbeverbot weit und breit in Sicht.
Eher
im genauen Gegenteil hat das Oberlandesgericht Düsseldorf
im März 2010 eine Beschwerde gegen den Spirituosenhersteller
„Underberg” abgewiesen: Das Unternehmen darf
seinen Magenbitter demnach trotz eines Alkoholgehaltes von
44% weiterhin mit Slogans bewerben wie etwa „Weltweit
im Dienste des Wohlbefindens”, sowie „appetitanregend
und verdauungsfördernd”.
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