Das
Gehirn als die Schalt- und Steuerungszentrale der „Maschine
Mensch“: Was immer die Gehirnforschung an ständig
neuen Erkenntnissen liefert, wird durch die mechanistische
Brille der „Alten Kompetenz” betrachtet.
Und so überzeugt man sich selbst von der Richtigkeit
seines Fehldenkens.
In den
1970er Jahren schrieb man der Psychologie die Fähigkeit
und die Hauptrolle zu, Erkenntnisse über das Denken
und Verhalten von Menschen gewinnen und – vor allem
– praktikabel anwendbar und nutzbringend-methodisch
einsetzbar machen zu können. Diese Hoffnung hat sich
noch nicht ganz verflüchtigt, jedoch enorm relativiert,
seit dem es die moderne Technik ermöglicht, Hirnareale
und einiges, das darin vor sich geht, auf Monitoren sichtbar
zu machen. Voll im Trend liegt deshalb zurzeit und vorläufig
die Neuro- und Gehirnforschung.
Gedankliche
Kurzschlüsse als Forschungsgrundlage
Es lohnt
sich durchaus, sich zunächst einer „Selbstverständlichkeit“
zu widmen, die bei der ganzen Thematik klammheimlich und
unausgesprochen vorausgesetzt wird: Und zwar nämlich,
dass es das Gehirn ist, das „schaltet und waltet“,
und dass das Gehirn so etwas wie die „Steuerzentrale”
des Menschen ist. Also eben: Das Gehirn – und nichts
anderes sonst.
Diese
Ansicht war keineswegs schon immer „selbstverständlich“:
Die alten Ägypter etwa waren der Überzeugung,
es sei das Herz, das für alles das verantwortlich ist,
was man heute dem Gehirn zuschreibt. Wer darüber heute
lacht, sollte in Erwägung ziehen, dass womöglich
in einigen Jahrzehnten ebenso herzlich über die heutige
Ansicht gelacht werden wird.
Der
nächste gedankliche Kurzschluss, der hierbei stattfindet,
resultiert aus dem mechanistischen Weltbild des René
Descartes, anno 1619, mit dem jede Forschung heute, im 21.
Jahrhundert noch immer betrieben wird. Hier in erster Linie:
Das „Entweder-Oder“, die Analytik und das „Ursache->Wirkung“-Denken.
Lediglich auf Grund dieses steinalten Denksystems nämlich
meint man tatsächlich, durch das Zerlegen des Gehirns
in dessen Einzelteile (also: durch Analytik) etwas über
das Gesamtsystem herausfinden und erklären zu können.
Eine
Folge daraus ist zum Beispiel, die „linke“ und
„rechte“ Gehirnhälfte jeweils unabhängig
voneinander zu beobachten und einer der beiden Hälften
irgendwelche speziellen Funktionen zuzuschreiben. Jedoch:
Diese gesamte Vorgehens- und Betrachtungsweise ist (sei
sie auch noch so praktikabel und sicher sehr nützlich)
hochgradig willkürlich und damit zu 100% subjektiv
– dennoch werden die daraus abgeleiteten Rückschlüsse
als „objektiv“ dargestellt und als „Beweise“
für irgendetwas deklariert.
Das mechanistische „Ursache->Wirkung“-Denken
wiederum sorgt dafür, dass das Gehirn den Status der
„Schalt- und Steuerungszentrale“ des Menschen
genießt und jede Forschung auch genau in diese Richtung
geht – und eben: in keine andere.
Es
wird nur das gesehen, was man finden will
Bei
der Wirkung so genannter „Placebos“ zum Beispiel,
deren Wirkung sich nicht erklären lässt, weil
es sich um (z.B.) Tabletten ohne jeden Wirkstoff handelt,
wird nach feinstem mechanistischem „Ursache->Wirkung“-Denken
zwanghaft dennoch nach einer Ursache gesucht. Und dem entsprechend
auch: gefunden. Und wie kaum anders zu erwarten: im Gehirn.
Demnach „bekommt das Gehirn den Befehl“, die
körpereigene Biochemie zu aktivieren. Wer oder was
diesen „Befehl“ jedoch „gibt“, das
bleibt im Dunkeln. Immerhin: man hat eine Ursache gefunden.
Exact
auf diese Weise wird jedes Experiment nach diesem Schema
aufgebaut und jedes Ergebnis nach diesem Schema beurteilt,
bewertet und erklärt. Und mitsamt diesem „Wenn->Dann“
des „Ursache->Wirkung“-Denkens wird suggeriert,
das Gehirn würde Entscheidungen treffen.
Ein
glatter Unfug, der sogar in einem Laborversuch „bewiesen”
wurde: Probanden sollten einen ihrer beiden Arme anheben,
den linken oder rechten, welchen sie wollen, wann immer
sie wollen. Resultat des Experimentes: noch einige Sekunden
bevor die Probanden den bewussten Willen dazu entwickelt
hätten, hätte ihr Gehirn längst „entschieden”,
wann sie welchen ihrer Arme anheben. Rück- oder besser
Kurzschluss: „Der Mensch ist seinem Gehirn ausgeliefert“.
Der
gedankliche Kurzschluss lautet folgendermaßen: wenn
das Gehirn jenseits des bewussten Willens seines Besitzers
angeblich „selbst entscheidet”, stellt sich
die Frage, warum die Probanden tatsächlich –
anweisungsgemäß – einen ihrer Arme bewegt
haben und nicht etwa ein Bein oder einen Fuß(?), wenn
doch „das Gehirn macht, was es will”(?).
So etwas
passiert, wenn Menschen fähig sind, enorme Technologien
zu entwickeln, doch dabei in einem steinalten Denksystem
des 17. Jahrhunderts verharren – und die Technik genau
so konzipiert und gebaut wird, dass sie das eigene Fehldenken
in Laborversuchen und per Computerberechnungen bestätigt,
um das dann „wissenschaftliche Erkenntnisse”
zu nennen.
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